Amore siciliano
kaufen oder die Käfighaltung von Hühnern durch Verwendung genfreien Futters ausgleichen kann.«
»Was meinst du damit? In der Biolandwirtschaft müssen die Hühner doch freilaufend gehalten werden, oder etwa nicht?«
»Ah sì? Hast du dich nie gefragt, wo all die freilaufenden Hühner sich versteckt halten, die für die täglichen Millionen Freiland- und Bioeier in den Supermärkten verantwortlich sein sollen? Wenn die Bioeier alle von glücklichen Hühnern stammen würden, müsste man die Hühnerparks doch von nahezu jeder Autobahn aus sehen können.«
Ich war verunsichert. Rechnen war noch nie mein Spezialgebiet gewesen, aber wahrscheinlich hatte Paolo recht. Das Punktesystem, nachdem Biowerte an landwirtschaftliche Betriebe vergeben wurden, erlaubte einen Ausgleich gewisser Defizite durch Pluspunkte auf anderen Gebieten. Ein Bioei konnte also wahrscheinlich ebenso gut von einem genfrei ernährten Käfighuhn stammen, statt von einem freilaufenden.
»Trotzdem«, bekräftigte ich meine Überzeugung. »Ich denke, es ist wichtig, dass wir Kontrollorgane haben, die für ein Mindestmaß an Ordnung sorgen.«
»Si possono aggirare. Kontrollen kann man umgehen«, widersprach Paolo. »Wirklich helfen kann auf Dauer nur ein bewusster Umgang mit Nahrungsmitteln. Jeder vonuns muss sich persönlich dafür interessieren, woher sein Essen stammt.«
Er hatte wieder recht. Aus dem Grund war ich ja auch Vegetarierin geworden, weil ich eben bei Fleisch nie sicher sein konnte, woher es stammte. Malte hatte mir damals Bilder von schrecklichen Zuständen in Schweinemastbetrieben gezeigt, und ich hatte danach nie wieder Schnitzel oder Currywurst gegessen.
»Per noi è diverso, bei uns läuft das weniger mit staatlicher oder europäischer Kontrolle ab«, fuhr Paolo fort, während wir bei untergehender Sonne durch seinen Garten schritten. »Sicherlich gibt es in Italien auch zahlreiche Umweltsünder, zum Beispiel im Fischfang, und hier würde ich mir mehr Kontrollen wünschen. Aber ich musste mich schon sehr umstellen, als hier europäische Richtlinien eingeführt wurden. Warum interessiert es jemanden in Brüssel, wie viele Eier meine Wachteln legen oder in welchem Abstand ich meine Olivenbäume pflanze?«
»So was schreiben die einem vor?«, fragte ich erstaunt. Ich wusste zwar, dass die EU-Normen zu einem Anwachsen der Bürokratie geführt hatten, doch was genau das für einen landwirtschaftlichen Betrieb bedeutete, wusste ich nicht.
»Un esempio, war nur ein Beispiel. Ich will damit nur sagen, dass es bei uns weniger auf die strenge Umsetzung irgendwelcher Richtlinien aus Brüssel ankommt. Wenn jemand einen Biobauernhof in einer Region wie Messina oder Taormina führt, dann kann man getrost davon ausgehen, dass er es sich nicht leisten wird, hier großartig mit Genen oder Giften rumzupfuschen. Wenn ein Biobauerhier in Verruf gerät, ist er finanziell am Ende. Ich zum Beispiel achte sehr genau darauf, wo ich das Futter für mein Geflügel einkaufe. Meine Kundschaft sind Nachbarn, Verwandte und die Händler in den umliegenden Städten. Die würden einem Bauern schon zeigen, was sie von ihm halten, wenn er ihnen schlechte Qualität verkauft. Sie wollen Hühner, die nach Huhn schmecken und nicht nach Futtermittel. Ecco, siamo arrivati.«
Wir waren an einem hohen Bretterzaun angekommen, in dem so viele Latten fehlten, dass ich mir das Klettern sparte und zwischen den Latten hindurchkroch.
»Von hier aus brauchst du immer nur geradeaus zu laufen, dann kommst du automatisch zum Olivenhain der de Vivos. Meinst du, du findest den Weg von da zum Haupthaus?«
Eigentlich glaubte ich, einen hervorragenden Orientierungssinn zu haben, doch ich lächelte Paolo lieber unsicher an. »Ich denke schon«, sagte ich, und meine zaghafte Tonlage verfehlte ihre Wirkung nicht.
»Ich kann dich auch rüberbringen«, bot Paolo an. »Ich hab sowieso noch etwas mit Michele zu besprechen.«
So spazierten wir Seite an Seite durch den im Abendrot liegenden Olivenhain. Paolo schwieg die meiste Zeit, aber das störte mich nicht. So konnte ich meinen Gedanken nachhängen und mir eine Strategie überlegen, wie ich ihn auf die Szene in Taormina ansprechen konnte. Offensichtlich war ich gedanklich etwas zu weit abgeschweift, denn bis ich mir meine Worte zurechtgelegt hatte, waren wir bereits auf I Moresani angekommen. Mist, Chance vertan.
Die anderen saßen vor dem Haus und sahen sehr entspannt aus. Simona brachte ihnen gerade zwei Karaffen Wein heraus, als
Weitere Kostenlose Bücher