Amore siciliano
war hier ja wie ein Werbespot für Olivenöl.
»Das Bad ist, wenn du reinkommst, am Ende des Flurs links«, meinte Paolo. Als er anfing, an seinem Gürtel herumzunesteln, wendete ich meinen Blick sicherheitshalber ab und flüchtete lieber ins Haus. Das Bad war spartanisch eingerichtet, aber sehr sauber. Paolo schien in keinem typischen Singlehaushalt zu leben, nirgendwo häuften sich Berge aus Schmutzwäsche. Eine Zahnbürste stand im Becher, davor lag ein Kamm. Deo, Rasierschaum und Fingerpflaster. Keine zweite Zahnbürste, kein Nagellack, kein Frauenparfum. Wieso war so ein Mann Single, war etwas faul an ihm?
Die Dusche tat mir unheimlich gut, ich rieb mir meine Schulter, die von den ungewohnten Bewegungen beim Ausmisten schmerzte, und genoss die warmen Wasserstrahlen auf meiner Haut. Mich schauderte bei dem Gedanken an das eiskalte Wasser, mit dem Paolo sich gerade abduschte. Genüsslich begann ich, meine Haare und den ganzen Körper einzuschäumen, und stellte mir dabei einen Mann, der Paolo verdächtig ähnlich sah, unter einem wilden Naturwasserfall vor. Kitschig, aber wirkungsvoll.
Ich spülte den Two-in-one-Schaum ab und beeilte mich, mich abzutrocknen und in frische Kleidung zu schlüpfen. Meine Arbeitssachen knüllte ich in eine Plastiktüte und stellte sie an die Eingangstür, um sie auf dem Heimweg nicht zu vergessen. Dann ging ich in die Küche. Paolo stand bereits in Jeans und ohne T-Shirt an der großen Arbeitsplatte, vor sich eine offene Flasche Wein und zwei Gläser, und schnitt dünne Scheiben von einem Brotlaib ab. Anschließend bestrich er sie mit einer mir unbekannten Käsesorte.
»Was ist das?«, fragte ich und bemühte mich, die Brote anzuschauen anstatt seines Sixpacks.
»È un formaggio tradizionale, das ist Casu Marzu, sardinischer Molkekäse, eine sehr traditionelle Käsesorte«, erklärte Paolo. Der Name sagte mir nichts.
»Lo devi provare, das muss man probieren, es ist eine italienische Spezialität«, behauptete Paolo und reichte mir eine Scheibe. Dann goss er uns Wein ein. Ich biss vertrauensvoll in den Käse und schaute gleichzeitig in das Käsetöpfchen, aus dem die hellgelbe Masse stammte.
Ich blinzelte. Hatte ich Halluzinationen? Konnte es sein, dass der Käse sich bewegte?
Ich schluckte meinen Bissen hinunter und sah noch einmal genauer hin. Tatsächlich, da bewegte sich etwas, mitten im Käsetopf. Mein Bissen rebellierte auf dem Weg zum Magen.
»Paolo«, flüsterte ich und versuchte, ein Würgen zu unterdrücken. »Paolo, dein Käse lebt!«
Paolo fing an zu lachen und reichte mir ein Glas Wein, das ich dankbar ergriff, um einen großen Schluck zu nehmen. »Ecco, das ist das Geheimnis dieser Käsesorte: Er wird vorverdaut von Maden, dadurch bekommt er seinen besonderen Geschmack. Die Maden kannst du mitessen, keine Sorge, das ist hier eine ganz besondere Delikatesse!«
Maden? Delikatesse? War das hier das Dschungelcamp?
Ich hielt mich ja für einen offenen Menschen, aber Maden mussten nun wirklich nicht sein, und das lag nicht daran, dass ich mich vegetarisch ernährte. Ich ekelte mich schlicht und sah Paolo mit Schrecken dabei zu, wie er selbst herzhaft in ein Madenkäsebrot biss. Brrr. Ich trank mein Weinglas zur Hälfte aus, um jeglichen Geschmack des Käses aus meinem Mund zu spülen.
Ich war mir nicht sicher, ob Paolos Mundwinkel vom Kauen zuckten oder ob er sich insgeheim über mich amüsierte. Aber als er meine erschütterte Miene sah, bekam er Mitleid und bot mir ersatzweise ein Brot mit Ricotta an.
»Tieni, prova questo. Hausgemacht«, sagte er, »nach einem Rezept meiner Großeltern und ganz madenfrei. Deshalb hole ich mir gelegentlich Kuh- und Schafsmilch,um unterschiedliche Ricottasorten herstellen zu können.«
Dass Ricotta eine sizilianische Spezialität war, hatte ich schon gehört, und so ein ganz und gar unbelebter Molkekäse war mir doch wesentlich lieber als dieser dubiose Casu Marzu.
»Il formaggio lo produco qui con amici, mehrmals im Jahr finden auf meinem Hof Käsetage statt – dann produziere ich mit Freunden Mozzarella und Pecorino, und aus der Molke, die übrigbleibt, mache ich dann Ricotta«, erklärte Paolo. »Nächstes Wochenende bietet Nonna Margherita für die Touristen ein Käseseminar auf I Moresani an, das wäre doch was für dich und deine Kollegen vom Fernsehen.«
»Das ist eine gute Idee!«, meinte ich, während ich mir den Käse auf der Zunge zergehen ließ. Malte hätte da sicher Spaß dran, er aß ja auch gern Käse. Aber
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