Amore siciliano
eigentlich hatte ich jetzt keine Lust, an Malte zu denken. Wahrscheinlich hätte er selbst an einem Käsekurs etwas zu meckern. Wie viel angenehmer war es doch in Gesellschaft von Paolo, er war witzig, gut gelaunt – ganz anders, als am ersten Abend, an dem er einen so abweisenden Eindruck gemacht hatte. Heute schien ihm meine Anwesenheit zu gefallen – klar, er hatte mich diesmal ja auch eingeladen. Ich hätte nie gedacht, dass gemeinsames Arbeiten so viel Spaß machen konnte. Die Zusammenarbeit mit Malte hingegen, auf die ich mich vor der Reise so sehr gefreut hatte, war bislang der totale Reinfall. Schluss jetzt mit den Grübeleien, lieber noch ein Brot essen. Paolo reichte mir das Brett und lächelte, als er sah, wie es mir schmeckte.
Nachdem wir uns mit Käsebroten gestärkt hatten, wollte er mir noch zeigen, wie ein echter Sizilianer Limoncello zubereitet. Dieser Tag wurde immer besser, mir hatte der Limoncello auf dem einen Agriturismo schon so gut geschmeckt, doch ich wäre nicht auf die Idee gekommen, mir den Likör selbst anzusetzen.
»È molto semplice, ganz einfach«, meinte Paolo. »Die wichtigsten Zutaten sind gute, aromatische Zitronen und reiner Alkohol.« Er stellte eine Literflasche auf den Tisch, die mich an den Chemieunterricht in der zehnten Klasse erinnerte. Dann schickte er mich zum Zitronenholen in den Gemüsekeller und nahm ein riesiges Glasgefäß mit Deckel aus dem Küchenschrank.
Paolo erklärte mir, dass er immer Zutaten und angesetzten Likör gleichzeitig im Haus habe, so dass alle paar Wochen ein paar Liter Limoncello fertig wurden und verkauft werden konnten. Während ich also für eine der nächsten Mischungen Zitronen schälte und in dünne Scheiben schnitt, setzte Paolo bereits getrocknete Schalen in dem Glasgefäß mit reichlich Alkohol an. Er erklärte mir, dass sich das Aroma der Schalen auf diese Weise in der Flüssigkeit löste.
»Das muss nun gute drei Wochen in Dunkelheit und Ruhe ziehen«, erklärte er und trug das Gefäß in den Keller. Dabei brachte er ein ähnlich großes Glasgefäß mit bereits eingeweichten Schalen hoch. »Die habe ich vor etwa drei Wochen angesetzt«, sagte er. »Nun ist die Mischung bereit für den nächsten Schritt.« Er kochte Wasser mit anderthalb Kilo Zucker auf, ließ die Zuckermasse abkühlen und rührte sie unter den zitronengelb gefärbten Alkohol.
»Das ist eigentlich das Grundrezept«, meinte er. »Je nach Familienrezept und verwendeten Zitronen gibt es ein paar Unterschiede, so dass es viele, viele Geschmacksnuancen gibt. Diese Mischung lasse ich über Nacht noch einmal durchziehen, dann kann man sie filtern und in Flaschen umfüllen, und dann schmeckt das Ganze so.«
Er präsentierte mir eine fertige Flasche aus dem Kühlschrank, zog zwei Gläser aus dem Regal und goss großzügig ein. Es schmeckte großartig, nach der Sonne und den Gerüchen Siziliens.
»Paolo, du bist ein hervorragender Koch!«, resümierte ich nach einem weiteren Ricottabrot. »Wer hätte das gedacht.«
»Così si fa in Sicilia. Alle Sizilianer sind Küchenspezialisten«, behauptete Paolo. »Für uns ist Kochen kein Beruf und keine alltägliche Pflicht, sondern eine Passion.«
»Nun muss ich mich aber langsam auf den Rückweg machen, es wird schon dunkel, und an Simonas Fahrrad ist kein Licht«, sagte ich mit einem bedauernden Blick auf die halbvolle Flasche Limoncello. Ich hoffte, dass Malte noch nicht aus Messina zurück war, sonst würde er mir meinen Ausflug zum Strand wohl kaum abnehmen. Obwohl: Durch die Arbeit unter freiem Himmel bildete ich mir ein, dass meine Arme bereits einen angenehm sommerlichen Ton bekommen hatten. Richtig braun wurde ich als Rothaarige ohnehin nicht.
»Rimani ancora un po’, bleib doch noch. Ich kann dich auch rüberfahren, das Rad können wir hinten aufladen«, bot Paolo an, aber ich wollte nicht noch mehr unnötigenÄrger mit Malte provozieren, wenn ich von einem anderen Mann vor der Tür abgesetzt wurde.
»Das geht nicht, du hast schon zu viel getrunken«, sagte ich deshalb, aber Paolo winkte ab: »Non è la fine del mondo! Das bisschen Limoncello! Ich kann dich wirklich gern rüberfahren«, wiederholte er sein Angebot.
Ich bemühte mich, standhaft zu bleiben, und griff meine Tüte mit den Arbeitsklamotten.
»Hier, die kannst du deinen Freunden mitbringen«, sagte Paolo und reichte mir eine Flasche Likör.
»Nicht doch!« Ich wollte ablehnen, doch Paolo meinte, die hätte ich mir mit meiner Hilfe mehr als verdient. Er
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