Amore siciliano
niemanden, denn Carla stellte uns dem Oberkellner direkt als Filmteam aus Berlin vor. Damit hatten wir Anrecht auf künstlerische Schlampigkeit. Während die anderen Gäste in feinen Anzügen und Abendgarderobe auftraten, trugen unsere Männer Jeans und Hemd und Paula, Carla und ich leichte Sommerkleider, die nicht verbargen, dass ein langer Arbeitstag hinter uns lag. Auch unsere Frisuren ließen wohl etwas zu wünschen übrig, und Make-up war einzig auf Carlas großzügig angemaltem Gesicht zu finden. Meine Bisswunde hatte ich mir natürlich nicht übergeschminkt. Das Bein hatte mir seit gestern kaum noch Probleme bereitet.Zwischendurch hatte ich es immer mal wieder hochgelegt, und das hatte offensichtlich genügt, um die Schwellung im Zaum zu halten. Schmerzen hatte ich gar keine mehr.
Carla war in dem Restaurant Stammgast, wie sie uns wissen ließ. »Che bel posto! Hier gibt es den besten Thunfisch in ganz Taormina, und nirgends hat man so eine geniale Aussicht auf den Ätna«, erklärte sie. Was den Fisch anging, würde ich mich des Urteils enthalten, aber die Aussicht war wirklich beeindruckend, da hatte sie recht.
Beim Essen saß ich Malte gegenüber. Den ganzen Tag über hatte ich mich um Distanz zu ihm bemüht – in der stillen Hoffnung, ihm so zu zeigen, dass ich es ernst meinte mit unserer Trennung. Nun versuchte ich, in seinem Gesicht zu ergründen, ob er wirklich nicht verstanden hatte, dass ich unsere Beziehung beendet hatte – oder ob er sich absichtlich taub stellte. Malte wich meinem prüfenden Blick jedoch aus und tat so, als sei er bester Laune. Er scherzte mit Jakob um die Wette.
»Nur noch wenige Drehtage, dann sind wir durch«, verkündete Dieter und bedankte sich schon mal vorsorglich für unsere »wirklich gute Arbeit« und dafür, dass wir den Rückschlag mit den verlorengegangenen Aufnahmen so gut weggesteckt hatten.
»Ich denke, der Rückschlag hat uns zwar frustriert, aber wir haben uns nicht kleinkriegen lassen«, erklärte Malte. »Beim Drehen im Ausland muss man ja immer mit unerwarteten Schwierigkeiten rechnen, dann kommt es eben auf Improvisationstalent und Kreativität an, um die Probleme zu lösen. Und die habt ihr alle gezeigt.«
»Was schlägt der denn heute für einen Ton an?«, flüsterte Ole mir zu, als Malte Richtung Toilette verschwand. »Er tut ja gerade so, als wäre er hier der Leitwolf, der alles unter Kontrolle hat, dabei ist er doch am meisten ausgerastet, als der Bus weg war, und wir haben uns die Lösungen überlegt. Ohne uns hätte er schön blöd dagestanden«.
»Was sagst du mir das?«, fragte ich. »Lass mich mit so was in Ruhe, ich hab mein eigenes Missverständnis mit ihm.«
»Bist du doch selbst schuld«, mischte sich Paula ein. »Mach ihm eben deutlich, dass du nichts mehr von ihm willst. Du musst dich auch mal durchsetzen, und wenn’s nur beim Schlussmachen ist!«
Das hatte ich mir auch schon gesagt. Malte tat geradezu, als sei ich nicht zurechnungsfähig. »Ich hab’s ihm doch schon gesagt! Wie oft denn noch? Mehr, als es ihm zu sagen, kann ich schließlich auch nicht tun«, protestierte ich schwach.
»Wir könnten ihm ja eine Affäre vorspielen«, schlug Ole vor. Das war ein egoistischer Vorschlag, denn er hoffte bestimmt, so Simonas Interesse zu wecken.
»Das könnte dir so passen«, lehnte ich dankend ab. »Meinst du, ich mache mit einem Arbeitskollegen Schluss, um mit dem nächsten was anzufangen? Den Fehler mache ich nicht noch einmal. Ich werde künftig Privates und Berufliches streng voneinander trennen.«
»Ist klar«, sagte Paula leicht spöttisch. »Deshalb hast du auch deine Freundin, die Lebensretterin, in unser Team eingeschleust.«
»Ich hab sie nicht eingeschleust!«, wehrte ich ab. »Außerdem: Sei doch froh, wir hätten so oder so einen Dolmetscher gebraucht. Ich kann schließlich nicht überall sein, und von euch spricht ja keiner Italienisch.«
»Außerdem verdanken wir ihr dieses leckere Essen«, sagte Paula.
»Genau«, bestätigte ich. »Ihr könnt mir alle dankbar sein.«
»Vor allem mein Bruder ist dir sehr dankbar«, lästerte Paula.
Wir schauten zu Jakob hinüber, der ausgelassen mit Carla flirtete.
»Italien«, seufzte ich. »Das Land der Liebe.«
Wenn auch im Moment nicht für mich.
Kapitel 13: S EPARAZIONE
Vier Uhr morgens! Was für eine Zeit. Es war noch stockduster auf I Moresani, aber Dieter war unerbittlich. »Wenn wir den Ätna im Licht des Sonnenaufgangs in den Kasten bekommen wollen, müssen
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