Amors Glücksfall (German Edition)
die im Recht ist. Letzte Station. Ich steige aus und gehe die letzten paar Hundert Meter bis ins Büro zu Fuß.
„Hast du schon vorgefeiert oder was?“, lacht Jan. Er sitzt in meinem Büro und sieht durch die halb offene Tür zum Eingang, durch den ich trete.
„Hallo Jan“, murmle ich. „Sehe ich etwa so schlecht aus?“, überlege ich. „Wieso fragst du?“ Ich habe eher erwartet, er mache sich darüber lustig, dass ich verschlafen habe. „Ich war mit Stella im MUC“ , kläre ich ihn auf. „Was ist denn los?“
Jan grinst, steht auf und kommt auf mich zu.
„Hast du nicht die Mädels um Feedbacks zu vorgestern gebeten?“
Ich stutze erst, dann allerdings wird mir alles klar.
„Sie liegen schon alle auf deinem Platz!“ Er schmunzelt und zwinkert mir zu. „Willkommen zurück, lieber Amor!“
„ Oh nein, bitte nennt mich nicht so!“, bettle ich in Gedanken und gehe vor. Den Stapel auf meinem Tisch anzusehen, kann ich mir im Grunde sparen. Es sind wirklich fünf Pärchen, bei denen es gefunkt hat. Bis auf Katja mit ihrem Volker überraschen mich alle. Vor allem die Zwei, die sich nach meiner Meinung nur für diesen Abend zusammengetan haben, um nicht allein zu Hause herumzuhängen. Ich sehe mir die Bilder an und komme mir vor wie in einem falschen Film. Lilli neben Ralf zu sehen, trifft mich in meiner Eitelkeit und somit am meisten. Auch wenn ich es hätte ahnen können, dass sie mich nur benutzt, um ihn eifersüchtig zu machen, es wurmt mich trotzdem. Ich versuche mich darüber zu freuen, dass der Unterschied zwischen gestern und jetzt nicht zu verachten ist. Ich bin sieben Paare näher an meinem eigenen Leben. Sieben Gründe, um Glück zu empfinden! Mia sieht zu mir auf.
„Entschuldige, dass ich nicht hingegangen bin, als du angerufen hast. Ich hatte eine Kundin am Ohr“ , flüstert sie. „Hey, so sieht aber niemand aus, der sich freut!“, fügt sie hinzu. „Was ist los mit dir?“ Die Ereignisse der letzten Nacht sind mit aller Wucht wieder da und legen sich wohl wie die Halloween-Blässe auf mein Gesicht. „Ich hasse Prosecco!“, versuche ich mich herauszureden. „Und Stella glaubt es mir einfach nicht.“ Mia lächelt.
„Wann seid ihr denn heimgekommen?“, fragt sie.
„Keine Ahnung“, mein Kopf tut mir nicht mehr weh, trotzdem tue ich so, als ob.
„Es freut mich, dass ihr euch wieder zusammengerauft habt“, lächelt sie. „Jetzt fehlt nur noch ...“ Sie dreht sich um, stoppt sich allerdings selbst wieder und grinst einfach nur. Unwillkürlich denke ich daran, was ich heute Nacht im Taxi über Karim und Lorenzo gedacht habe. Zum ersten Mal überhaupt mache ich keine abfällige Bemerkung über Mias kleinen Versuch zu intervenieren. Stattdessen lächle ich ein bisschen. Karim ist ein anständiger Kerl, den ich Lorenzo nur wünschen kann. „Ich muss ja nicht selbst was mit ihm anfangen“, überlege ich. Aber was schadet es schon, wenn die beiden sich mehr miteinander beschäftigen? „Hörst du, Lorenzo?“, wende ich mich in Gedanken an den Typen, der angeblich zeitweise den gleichen Körper bewohnt wie ich. Ich sehe an mir herunter. Die Vorstellung, ihn in Gedanken anzusprechen ist noch immer in etwa so, wie sich mit einem Geist zu unterhalten, an den man überhaupt nicht glaubt. Es ist völlig bescheuert! Ich beschließe es zu lassen. Hat das letzte Mal genauso wenig funktioniert wie jetzt. Meine Situation ist auch so schon verrückt genug, da fehlt mir nur noch, dass das bisschen Verstand, das ich hier im fremden Körper beisammen habe, mir auch noch schizophren auseinanderpuzzelt! Vielleicht bin ich deswegen ein bisschen froh, als sich in meinem Inneren niemand meldet, der jemand anders sein könnte als ich selbst.
Und als sich Karim plötzlich zu mir umdreht und lächelt, erschrecke ich, auch wenn es mich im Grunde nicht wundert. Vielleicht reagiert er, weil ich ihn nun doch endlich angerufen oder auch weil ich ihm eben minutenlang auf den Rücken gestarrt habe? Wie auch immer, es ist mir unangenehm, weil ich nicht weiß, wie ich reagieren soll. Also reagiere ich einfach mal gar nicht. Ich wende mich der Arbeit zu, melde mich an und gehe ans Tagesgeschäft.
34 Ein trauriger Liebesengel
„Und dann bin ich weggefahren“, schließt Calopea ihre Erzählung, dreht sich von der Bauchlage auf den Rücken und sieht einer vorbeiziehenden Wolke nach. Amor robbt auf Knien durch die Wiese in ihre Richtung und lässt sich direkt neben sie fallen.
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