Amors Glücksfall (German Edition)
„Was hätte ich denn sonst machen sollen?“, hört er nach einer Weile. Das Gesicht seiner Freundin bleibt ansonsten unbeteiligt. Ihr Blick verfängt sich in den ausgefransten Rändern des bauschigen Gebildes über ihr.
„Habe ich was gesagt?“, hakt er nach, zupft einen Grashalm, den er sich zwischen die Zähne schiebt und dreht sich ebenso auf den Rücken.
„Nein, aber ...“ Sie bewegt ihren Kopf zur Seite und fixiert sein Gesicht. Seit er sie gebeten hat, in München noch einmal nach den Rechten zu sehen, wusste sie, dass etwas schiefgehen wird. Sie hat es förmlich gerochen. Genau wie bei seinem Auftauchen. Von wegen Liebesengel!
„Wieso hast du ihm das mit Lorenzo überhaupt erzählt?“, fragt er und mustert das wandernde Licht auf ihrem Gesicht.
„Ist mir so rausgerutscht“, sagt sie halbherzig. „Ich wusste nicht, dass es ein Problem ist .“
„Es ist nicht direkt ein Problem, aber ... Vielleicht muss ich beim nächsten Mal einfach mal selbst runter“, versucht er sich vorzuwagen. Die Diskussion ist nicht neu, das weiß er genau. Das geht schon seit Tagen so.
„Vergiss es!“, weist sie ihn harsch zurück. Für einen kurzen Moment blitzt allerdings etwas anderes in ihren Augen auf, als einfach nur Ablehnung. Wehmut. Das gleiche Gefühl, das auch in seinem Inneren ruht. Das gleiche verzweifelte Festhalten. Er wird so schnell nicht wiederkommen, liest er in ihrem Gesicht. Bitte Calopea, flehen seine Augen. Zwei Welten und ein Job dazwischen, der weder die eine Welt zulässt, noch die andere. Und wenn doch, dann nur für wenige Augenblicke.
„Ich weiß“, flüstert er und denkt gleichzeitig: „Natürlich geht es, auch wenn es ein Regelverstoß ist.“ Ganz kurz in einen Menschen springen, nachsehen, was los ist und wieder verschwinden. Er spürt einen prüfenden Blick und drängt die Idee zurück. Zwei Mal hat er die Regel bereits gebrochen. Einmal für Munichlive , für das Projekt, das ihm für kurze Zeit aufgetragen wurde, das gescheitert ist und das er jetzt allein lassen muss. Allein mit Mark, ein Riesendesaster in seinen Augen. Und dann für Calopea, für ihre Freundschaft, für die paar Wochen Zeit mit ihr.
„Meinst du, dass Mark und Lorenzo ... Also ich meine ...“ Seine Stimme reißt ab, die Gedanken überschlagen sich. Was wird sein, wenn alles so bleibt wie es ist? Kommt Mark damit zurecht oder flippt er nun endgültig aus? Beinahe bekommt er Kopfschmerzen vor lauter Nachdenken.
„Damit erklärt sich deine verpflichtende Reisetätigkeit“, stellt Calopea fest und unterbricht mit ihren Worten für einen Moment sein Gedankenchaos.
„Wieso?“, fragt er unsicher und dreht sich auf die Seite.
„Du sollst dich auf das konzentrieren, was du am besten kannst.“
Amor verzieht fragend sein Gesicht.
„Schießen, Treffen, Weiterziehen. Verstehst du?“ Sie setzt sich in Schneidersitz auf. „Es gehört nicht gerade zu deinem Berufsprofil, das eigene Herz an die Menschen zu hängen. Du bist ein Engel des Augenblicks, nicht der des Verweilens. Über die Liebe nachzudenken, das überfordert dich.“
De r Junge senkt seinen Blick.
„Du siehst doch, wozu es führt. Jetzt grübelst du ganz wie ein Mensch über einen einzigen kleinen Fehler. Dabei ist es doch einfach: Du kannst nicht immer nur treffen“ , ihre Stimme klingt streng. Einen Moment lang überlegt sie, sammelt sich und redet weiter: „Manchmal wollen die Menschen einfach nicht getroffen werden“, setzt sie etwas sanfter nach, weil ihr der Schmerz in Amors Augen nicht verborgen bleibt. „Und jetzt hör’ endlich auf, dich schuldig zu fühlen! Würden Stella und Mark zusammengehören, hätten sie sich schon längst verliebt!“ Calopeas Aufregung ist förmlich zu spüren. In den Wolken entladen sich die Wärme und auch die Feuchtigkeit mit leisem Knistern.
„Ja, aber ...“, flüstert Amor.
„Nichts aber! Es ist doch einfach: Du schießt, triffst und sie verknallen sich ineinander.“
„ Triffst du sie nicht, passiert eben nichts“, sagt ihm Calopeas Blick.
„Aber ich habe es doch gar nicht versucht“, flüstert er etwas lauter.
„Ich weiß es, mein Schatz!“, lächelt Calopea: „Du wolltest abwarten, bis Mark sein Verhalten Stella gegenüber ändert. Und das hat er ja jetzt.“
Amor schließt seine Augen. So hat er es noch gar nicht betrachtet.
„Aber vielleicht ist es wirklich Lorenzo, der sich um Stella sorgt?“, versucht er einzuwenden. Seine beste Freundin schüttelt beharrlich ihren
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