Amors Glücksfall (German Edition)
mir nicht sicher, ob es die Sorge um meine Person ist oder die um seine eigene Sicherheit. Ich bin gute drei Köpfe größer als er. Und ich überrage ihn auch schon als Mark um mindestens zehn Zentimeter.
„Da steht, dass du über die Angelegenheit informiert warst und dass irgendeine Frist verstrichen ist, ohne dass du dich gemeldet hast. Also?“ Jetzt werde ich selbst langsam ungeduldig. Ich sehe den Namen vom Herrn Moser und seine Telefonnummer in der obersten Ecke des Briefkopfes und erinnere mich an den trägen Kerl am Telefon. Paul geht wieder einen Schritt zurück, bis er die Türschwelle rückwärts überschritten hat. Ich lehne meine Hand an die Tür. Er wird Mühe haben, sie elegant zuzuschlagen. Sein Blick gleitet an die Stelle, dann mustert er wieder die bullige Statur vom Herrn Acht und entscheidet sich offensichtlich um.
„Ich weiß nicht, was hier gespielt wird, daher möchte ich Sie jetzt bitten zu gehen .“ Seine Stimme klingt ruhig, aber in seinem Gesicht sehe ich, dass es gespielt ist. Ich antworte nicht. „Anderenfalls bin ich gezwungen, die Polizei zu rufen!“ Er ist nervös. Und ich bin mir sicher, dass er sich seiner Schuld bewusst ist.
„Du bist ein Arschloch, Paul, weißt du das?“, entfährt es mir. Seine Augen weiten sich. Für einen Moment glaube ich, dass seine Angst verschwindet. Er ist einfach nur fassungslos darüber, dass ich ihn so konsequent duze.
„Hören Sie ...“, beginnt er versöhnlich. „Wer sind Sie zum Teufel?“ Etwas an meinem Verhalten scheint ihn zu beruhigen, weil er es sogar zulässt, dass ich die Tür noch weiter öffne und an ihm vorbei in das Haus hineingehe.
„Sollen deine Nachbarn hören, wie unfähig du bist?“, fordere ich ihn heraus. Vor Überraschung bleibt er untätig, macht die Tür hinter mir zu und folgt mir ins Wohnzimmer. Ich gehe an seiner Frau vorbei. Sie sitzt im Lesesessel und schaut fern.
„Hallo Rosana“, sage ich und steuere Pauls Arbeitszimmer an. Sie macht den Ton leiser und flüstert ihrem Mann etwas zu. Wahrscheinlich will sie wissen, ob si e die Polizei rufen soll. Und auch seine Antwort höre ich nicht. Er eilt mir hinterher, noch immer mit dem Brief in der Hand. Als er das Zimmer betritt, habe ich es mir in seinem Arbeitsstuhl hinter dem Schreibtisch bequem gemacht und sehe mich um. „Wo hast du es hin geräumt?“, frage ich.
„Was denn?“ Er bleibt stehen und starrt mich an. „Wollen Sie mir jetzt endlich erzählen, was hier los ist?“ Meine Wut auf ihn hat sich fast schon wieder gelegt. Seine Ratlosigkeit ist beinahe Lohn genug. Andererseits fällt mir wieder ein, dass die Pfän dung damit nicht erledigt ist.
„Wo ist meine Mandantenakte?“ Ich sehe mich weiter um. Ich weiß, dass Paul viele seiner Fälle nicht nur in der Kanzlei aufbewahrt. Von meiner Akte weiß ich zum Beispiel, dass es sie zwei Mal gibt. Er atmet langsam ein und aus. „Als Asthmatiker keine so schlechte Idee“, denke ich. Es fehlt mir noch, dass er jetzt vor lauter Panik einen Anfall bekommt. Ich beschließe ihn aufzuklären.
„Pass mal auf, mein Freund“, beginne ich langsam.
„Ich kenne Sie überhaupt nicht!“, wehrt er sich. „Wir sind weder Freunde, noch möchte ich von Ihnen geduzt werden“, höre ich zwischen seinen gehetzten Worten heraus. Seine Augen tasten erneut mein Gesicht ab. Dann starrt er den Brief an. „Aber Mark ist mein Freund, das ist richtig.“
„Tja, und dieser Freund sitzt jetzt tief in der Scheiße. Da sind wir uns doch einig?“
Er nimmt auf der anderen Seite des Tisches auf dem Besucherstuhl Platz und nickt.
„Ich habe ihn angerufen, aber er ist nicht hingegangen!“
Es wundert mich, dass er nicht nachdrücklicher fragt, wer ich bin. Wahrscheinlich denkt er, ich bin ein Auftragskiller oder so etwas.
„Und wann war das?“, frage ich weiter. Wenn er in den letzten Tagen angerufen hat, konnte sein Anruf natürlich nichts mehr ausrichten. Der Brief ist allerdings schon über zwei Wochen alt.
„Keine Ahnung, ich habe es mehrfach probiert. Was ist denn jetzt mit Mark?“ Es kommt ihm offensichtlich nicht in den Sinn, dass ich von mir selbst in erster Person rede. Entweder er ist wirkli ch in Panik oder er ist so blöd.
„Ich bezahle dich dafür, dass du solche Sachen selbständig regelst“, sage ich ganz ruhig. „Du weißt genau, wie viel Ärger ich wegen der Sache mit dem Finanzamt hatte!“ Er zieht seine Augenbrauen zusammen. „Dämmert es ihm etwa langsam?“, frage ich mich.
Als
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