Amors Glücksfall (German Edition)
ich zusammenzucke.
„Sie sind ja schnell!“, sagt meine Mutter. Ich nicke und sehe an ihr vorbei ins Zimmer. Dort regt sich allerdings nicht s. Ich gehe rein und staune.
„Aber ...“
Sie tritt näher. Ich spüre ihre Hand an meinem Rücken.
„Der Arzt sagt, dass Marks Zustand unverändert ist“, redet sie weiter. Das verstehe ich jetzt nicht.
„Und war um haben Sie mich dann angerufen?“, frage ich. Etwas tief in mir entspannt sich langsam. Die Angst, nur noch zwei Wochen Zeit zu haben, wandelt sich in Freude, diese Zeit doch noch nutzen zu können.
„Ich habe nicht nur mit dem Arzt geredet, sondern auch mit Schwester Martina“, flüstert sie und tätschelt mir jetzt auch noch den Rücken. Ich drehe mich um und sehe zu ihr herunter. Sie lächelt und zeigt Richtung Tür. Noch immer verstehe ich nichts. Aber ich folge ihr vorsichtshalber. Auf dem Flur huscht die Blondine an uns vorbei. Auch sie lächelt. Erst zu mir, dann nickt sie meiner Mutter zu. Wenn sie Martina heißt, dämmert mir gerade etwas. Und ich fasse nicht, wie wenig mich diese Frau, meine Mutter, kennt. Ich sehe zu einem Stuhl. Ich muss mich einfach hinsetzen. Sie kommt näher, setzt sich neben mich. Offensichtlich will sie darüber reden. Und ich will am liebsten aufspringen und davonlaufen. Sie hat mich aufzuklären versucht, nachdem ich längst so etwas wie meine erste Freundin hatte. Das hier kann also nur ein Desaster werden.
„Hören Sie Lorenzo, ich wusste nicht, dass mein Sohn ...“ Sie stoppt, es ist furchtbar peinlich. Ihr Gesicht ist rot, ihre Stimme zittert und bricht ab. Ich sage nichts. Ich bin so fassungslos, dass sie etwas auf das Geschwätz dieser jungen Frau gibt, obwohl sie es doch viel besser wissen müsste. „Jedenfalls habe ich entschieden, dass das hier wohl in seinem Sinne ist“, sagt sie und beginnt in ihrer Tasche nach etwas zu suchen. Ich stehe auf und will weg gehen, weil mir das Ganze immer mehr wie eine groteske Komödie vorkommt. Ich bin schon froh, dass ich nicht mit einem eingegipsten Lorenzo darüber verhandeln muss, wer von uns in welchem Körper zu Hause ist. „Hier!“, sie reicht mir ein Päckchen. Ich trete einen Schritt auf sie zu und erstarre für einen Moment. Dann begreife ich, was hier passiert. Ich nehme ihre Hand und drücke sie. Zum ersten Mal überhaupt macht meine Mutter etwas, was gegen ihre fest gefasste Meinung ist. Ich begreife es nicht. Ich kann nicht verstehen, warum. Und trotzdem könnte ich die Welt umarmen. Also beuge ich mich vor und drücke sie fest an mich, bevor ich Richtung Ausgang marschiere. Auf der Straße beginne ich wie hysterisch zu lachen und gehe erst dann in die U-Bahn herunter. „Wer auch immer mich hier auf die Schippe nimmt, im Augenblick scheint er Einsehen mit mir zu haben“, überlege ich und löse mein Ticket zu Lorenzos Wohnung.
1 8 Die Schuldfrage
„Ja bitte?“ Paul Fischer tritt keinen noch so kleinen Schritt durch die Tür, sondern mustert mich aus der Dunkelheit seines Hauses heraus. Das Päckchen in meiner Hand ist auf einer Seite nass vor Schweiß, was für die meisten Briefe egal ist.
„Wir müssen reden“, sage ich und trete auf der Stelle. Er versteht nicht.
„Was kann ich für Sie tun?“
Ich bin mir sicher, dass er versucht, Lorenzos Gesicht einzuordnen. Sein rechtes Auge zuckt unkontrolliert wie zu seinen besten Examens-Endzeiten. Er fährt sich mit der Hand durch die Haare. Ich stehe im Licht des Bewegungsmelders und rühre mich nicht. An den steifen Bewegungen meines alten Freundes und Steuerberaters erkenne ich, dass er langsam ungeduldig wird. Es dauert nicht mehr lange und er schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Viel Zeit für lange Erklärungen habe ich also nicht. Außerdem zwingt mich meine eigene Wut dazu, sofort auf den Punkt zu kommen.
„Kannst du mir das hier erklären?“ Ich reiche ihm den Brief vom Finanzamt. Er war verschlossen, als ich ihn aus dem Stapel der anderen Briefe gefischt habe, und sein Inhalt war mir bis dahin gänzlich unbekannt. Paul macht einen Schritt nach vorne und faltet das Schreiben auseinander. Ein paar Mal sieht er zu mir auf, während er liest. Dass ich ihn duze , irritiert ihn und dass ich aussehe, wie ich aussehe und einen an seinen Mandanten und Freund adressierten Brief dabei habe, scheint ihn noch mehr zu verwirren.
„Ich verstehe nicht“, murmelt er : „Was haben Sie mit Marks Angelegenheiten zu tun?“ Seine Stimme klingt ehrlich besorgt. Ich bin
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