Amors Glücksfall (German Edition)
Fondsmanager hatte ich viel Geld verdient und nicht immer darauf geachtet, alles sofort zu versteuern. Nachdem die Gesamtwirtschaft gedreht hatte und mir die Kunden in Scharen davongelaufen waren, schmolz allerdings auch das Polster, mit dem ich ursprünglich vorhatte, die Steuerschuld zu begleichen. Und in der Zeit, in der ich gerade noch so an der Privatinsolvenz vorbeigeschlittert bin, hatte Paul für mich den Deal ausgehandelt, der jetzt offensichtlich wegen einer Unachtsamkeit wieder geplatzt ist.
„Die Umsatzzahlen der Firma sind so gut, dass Herr Moser wohl seine Chance gewittert hat, sofort an das offene Geld zu kommen .“
Das offene Geld sind rund 100.000 Euro. Das weiß ich auch ohne den Brief.
„So viel Geld habe ich nicht!“, sage ich wütend.
„Marks Firma ...“, will er weiter reden.
„Meine Firma!“, falle ich ihm ins Wort. „Es ist meine Firma!“ Ich schäume vor Wut. Woher soll ich denn 100.000 Euro hernehmen? Das operative Geschäft ist aufs Jahr hochgerechnet dieses Geld schon wert. Aber doch nicht so: Nicht mitten im Jahr!
„Entschuldigen Sie, ab er ...“ Pauls Gesicht ist blass und er sieht immer wieder zur Tür. Offenbar bereut er es, seiner Frau nicht signalisiert zu haben, dass sie die Polizei rufen soll. Meine Wut auf ihn ist unermesslich.
„Wie konntest du mir das antun, Paul?“, schreie ich ihn an. Er steht auf. Die Tür hint er ihm wird leise aufgestoßen.
„Alles in Ordnung?“, fragt Rosana. Sie ist noch immer so schön wie in meiner Erinnerung, noch immer so anmutig und still, wie mein Freund sich seine Ehe frau schon immer gewünscht hat. Paul schüttelt den Kopf. Weder bei ihm noch bei mir ist auch nur im Geringsten jetzt alles in Ordnung. Ich werde verhungern, meine Firma ist nach der Nummer hier keinen Cent mehr wert und ich bin gezwungen, ihn umzubringen. Der einzige Trost ist, dass man es mir wird nicht nachweisen können, weil ich in etwas mehr als zwei Wochen nicht mehr in diesem Körper bin. Hoffentlich. Paul geht auf Rosana zu und beruhigt sie. Dann dreht er sich um und sieht mich mit festem Blick an.
„Mark Hübner schickt Sie also!“
Jetzt springe auch ich auf. Nein, mein Freund, so einfach ist das nicht!
„Ich bin Mark Hübner, du Depp!“ Mein Ton muss doch jetzt Bände sprechen! Warum ist der so schwer vom Begriff? Wir zwei kennen uns seit über zehn Jahren und ich kenne niemanden, der so mit ihm umgeht. Wahrscheinlich bin ich neben seiner Frau der einzige Mensch, der weiß, dass er seit fast zehn Jahren so etwas wie ein Teiltoupet trägt. Seit sechs Jahren ist Paul ein angesehener Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, der von den meisten Menschen mit viel Respekt behandelt wird. Damit erklärt sich die Tatsache, dass ich ihn irritiere. Er erstarrt für einen Moment und bleibt stehen. Danach dauert es keine Minute, bis er rot anläuft und sich hustend zusammenzukrümmen beginnt. Ich ziehe seine oberste Schreibtischschublade auf und hole das Asthmaspray heraus. Als ich es ihm reiche, begreift er für einen Moment, dass ich die Wahrheit sage. Das sehe ich in seinen Augen. Wie sollte ich auch sonst von diesem Versteck wissen?
„Mark?“, sagt er immer wieder zwischen den Hustenanfällen. „Mark?“, wiederholt er, nachdem der Hustenreiz nachgelassen hat. Ich nicke. „Verzeihung, aber ...“
„ Haben Sie sich heute schon im Spiegel gesehen?“, sagen mir seine Augen. Er selbst ist zu höflich, um es so zu formulieren.
„Warum sollen m ich sonst seine Probleme jucken? Kannst du mir das sagen?“, frage ich weiter. Die Frage verunsichert ihn ohne Zweifel. Und er weiß keine Antwort darauf. Er geht hinter mir um den Tisch herum, wühlt in einer Schublade des Schreibtisches und legt einen Brief vor mich auf den Tisch. Es ist das erste Finanzamt-Anschreiben. Ich lese den Bescheid, der die Aufhebung der alten Vereinbarung ankündigt und spüre, dass die Wut auf Paul noch immer in mir ist.
„Wenn Sie Mark Hübner wären, wüssten Sie von diesem Schreiben“, sagt er ganz ruhig. „Mark bekommt genau die gleich e Post wie ich. Außerdem habe ich ihm mehrmals gesagt, dass wir was tun müssen.“ Er hat Recht, ich erinnere mich an seine Anrufe und daran, dass ich sie nicht ernst genommen habe, weil in der Firma gerade die Hölle los war. „Mark hat die Angewohnheit, seine Briefe nicht aufzumachen, wenn ihm danach ist“, lästert er plötzlich. „Gut, das ist nicht gelogen. Aber ...“ Langsam begreife ich, dass ich vielleicht doch nicht ganz
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