Amors Glücksfall (German Edition)
überlege.
„Keine Ahnung, es ist so anstrengend geworden .“ Dies ist die offizielle Version, von der ich nicht abrücken will. Bei Stella zumindest.
„Hat es mit Vassili zu tun?“
Wer ist denn das schon wieder?
„Ja“, sage ich, so kann ich vielleicht erfahren, wer das ist.
„Ich will dich nicht drängen, aber es ist drei Jahre her, Lorenzo.“
Aha, Vassili scheint ein V erflossener zu sein, an dem Lorenzo noch immer hängt. Offensichtlich redet Wolfgang nun doch nicht von Stella, wie ich angenommen habe. Der Typ hier ist also doch schwul. Aber gleich drei Jahre trauern?
„Und er mag dich wirklich .“
„Wer jetzt?“, rutscht es mir heraus. Vassili klingt für mich nach einem russischen Balletttänzer und die Vorstellung ist einfach zu lustig, sodass ich mich kaum mit dem Lachen zurückhalten kann.
„Ja wer schon?“ Er drückt seine Zigarette aus und sieht mich durchdringend an. „Auch du bist irgendwann mit der Liebe dran, weiß t du? Nicht immer nur die anderen.“ Für einen Moment habe ich den Eindruck, mein Vater sitzt neben mir und wir fabulieren über Gefühle, von denen wir beide keine Ahnung haben. Aus der Wohnung höre ich währenddessen Stimmen, die nach mir rufen.
„Dein Telefon!“ Es ist Sam. Die Aufregung i n seinen Augen irritiert mich.
„Was ist denn?“, frage ich, lasse mich von seiner Hektik anstecken und springe auf. Als ich nach dem Handy greife, ist niemand dran. Sams Gesicht leuchtet. Entschuldigend v ersucht er sich herauszureden.
„Ich dachte, dass es dieser Karim ist ...“, stammelt er.
„Und wer war das dann?“ Ich gehe wieder ins Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch liegen die Pizzakartons.
„Kennst du eine Frau Hübner?“, höre ich hinter mir.
„Sag bloß, das war das Krankenhaus?“, bricht es aus mir heraus. Jetzt bin ich es, der hektisch ist. Ich sehe Wolfgang durch die Balkontür in die Wohnung treten. Sam nickt und sieht fürchterlich schuldbewusst aus. Wahrscheinlich ist er genau so ein Weichei wie Lorenzo, dessen Herz gerade zu rasen beginnt.
„Passt schon , Kleiner. Aber jetzt entschuldige mich!“, schaffe ich nur noch zu sagen. Und dann: „Ich muss los!“ In Gedanken mache ich einen Purzelbaum. Vor Freude und auch vor Aufregung.
„Was ist denn passiert?“, ruft mir Wolfgang hinterher. Aber da bin ich schon im Treppenhaus, schlage die Tür hinter mir zu und eile zur Trambahn.
17 Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ich renne, sofern man mit diesem Körper überhaupt rennen kann, die Stufen aus dem U-Bahn-Tunnel hinauf. Beinahe falle ich über meine eigenen Füße die Treppe hoch. „Wenn ich wirklich zu mir gekommen bin, was mache dann hier?“
In der Trambahn versuche ich meine Mutter zurückzurufen, um sie zu fragen, ob ich mit meiner Hoffnung richtig liege. Aber sie nimmt nicht ab, also hoffe ich einfach weiter, dass sie gerade am Krankenbett steht und sich darüber freut, dass ihr Sohn wieder bei Sinnen ist. Ich keuche, huste und bin auch sonst völlig außer Atem. Grund genug, mir nicht auch noch über die Grundfragen des Körpertauschs erschöpfende Gedanken zu machen. Hauptsache, keiner der Beteiligten landet in der Psychiatrie.
Bevor ich die Klinik betrete, bleibe ich stehen und starre an mir herunter. Die Schiebetüren gehen auseinander, ein paar Besucher gehen an mir vorbei hinein und andere wieder durch die Tür hindurch hinaus. Die Glastüren geh en zusammen. Jetzt sehe ich Lorenzo in voller Lebensgröße vor mir. Ich kann ihn sehen. Ich denke, also bin ich. „Was für ein bescheuerter Spruch“, überlege ich und erschrecke für einen Moment. Der Typ, der dort oben liegt, ist es Lorenzo? Was mache ich, wenn er nicht Platz machen will? „Freiwillig tauscht doch kein Mensch in diesen Körper zurück“, begreife ich und sehe erneut an mir herunter. „Vielleicht habe ich mich ja zu früh gefreut“, sage ich zu mir selbst und mache einen Schritt nach vorne.
Die Türen gehen auf , der Anblick des Riesen verschwindet und ich trete hindurch. Auf den Weg nach oben nehme ich vor lauter Aufregung den Aufzug. Oben läuft mir die blonde Krankenschwester von neulich in die Arme, die mich diesmal erkennt. Sie lächelt freundlich, nickt mir zu und betritt dann den Lift, den ich gerade verlasse. Ich atme noch einmal durch und gehe durch den Flur Richtung Krankenzimmer, in dem mein Körper und nun vielleicht auch Lorenzo liegt. Ich bleibe an der Tür stehen. Die Vorstellung, mir selbst zu begegnen, ist so erschreckend, dass
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