Amors Glücksfall (German Edition)
Frisör und Schnellreinigung - im Café Lottchen , das jeden dritten Donnerstag im Monat für Munichlive reserviert ist. Geschlossene Gesellschaft für uns und unsere Kunden.
„Wow“, urteilt Mia. Ihr Muttermal hat sie heute direkt über der Oberlippe aufgemalt. „Das steht ihr am besten“, denke ich. An Karims Blick sehe ich, dass er von mir jetzt wohl restlos begeistert ist. „Man könnte meinen, Mark ist gar nicht in Thailand“, sagt Mia weiter.
„Beleidige Amor nicht“, höre ich aus dem hinteren Bereich des Cafés. Stella kommt auf uns zu und strahlt in die Runde. Man sieht ihr an, wie sehr ihr dieser Job hier fehlt. „Besser als Yoga ist es allemal“, denke ich. Moment mal, was heißt hier eigentlich „beleidige Amor nicht“? Der Job fehlt ihr vielleicht, ich allerdings offensichtlich ganz und gar nicht. Sie kommt näher, drückt sich an mich und sieht zu mir hoch. Was bin ich froh, dass ich stehe und sie nicht so einfach an mein Gesicht kommt.
„Du bist geschminkt“, sage ich und beuge mich nicht zu ihr runter. Diesmal wäre es keine Überraschung für mich, wenn sie mich küsst. Ich habe also sicher keine Erektion zu befürchten. Doch andererseits will ich die gar nicht erst riskieren. Wo sind eigentlich die Grazien, für die ich mich so in Schale geworfen habe? Es ist fast 19 Uhr, langsam müssten die ersten Gäste doch eintreffen!
Ich sehe zum Eingang. Ich bin der Einzige, der ohne eigene Kunden da ist. Abgesehen von Stella und Jan natürlich. Aber die beiden machen ja auch bereits auf Gastgeber.
Jan stöckelt herum wie ein Hahn und sieht sich um. Stella weist noch schnell die Kellner ein, während Jan sich und die einzelnen Betreuer vorstellt. Ich beobachte sie und staune nicht schlecht, als ich schon nach wenigen Minuten erkenne, wie der Hase läuft. Jan präsentiert uns, Stella hält ihm den Rücken frei. Die beiden wirken wie ein Politiker-Ehepaar. Erschrocken stelle ich fest, dass ich das bislang nie so gesehen habe. War es bei uns etwa auch so?
„Grüß dich! Ja, komm ruhig rein. Nur nicht so schüchtern.“ Stella rückt die Namensschilder zurecht, bevor sie diese gegen die jeweiligen Ausweise tauscht. Ein Blick auf die vorher übermittelten Daten und sie gibt die Ausweise dezent zurück. Sicherheit geht vor. Es ist für mich faszinierend zu beobachten, was ich mir zuvor selbst überlegt und als System eingeführt habe. Die Möglichkeit, als ein anderer da zu sein, eröffnet mir Perspektiven, an die ich nie zuvor gedacht habe. Jetzt begreife ich auch, was es heißt, Mäuschen zu spielen. Und es gefällt mir richtiggehend.
Langsam fü llt sich der Raum. Ich nehme meine Position am DJ-Pult ein und rücke die von Jan aus meinem Büro mitgebachten CDs zurecht. Stella hat eine Liste zusammengestellt. Es ist ihr in den letzten Jahren ins Blut übergegangen, was ich ihr von Anfang an eingebläut habe. „Planung ist das halbe Leben“ und dann noch: „Überlasse nichts dem Zufall“. Dass ich mir jetzt vorkomme wie ein Praktikant, der zu nichts zu gebrauchen ist, relativiert sich angesichts der Erkenntnis, wie viel Einfluss ich noch immer auf sie habe. Jan greift zum Mikro, sieht dabei verstohlen zu Stella am Eingang, die wiederum in seine Richtung nickt. Beinahe bin ich eifersüchtig, weil sie auf mich so eingespielt wirken. Ihr Nicken bedeutet, dass alle da sind und dass er loslegen kann. Ich weiß das, weil ich in den Jahren gemeinsamer Arbeit gelernt habe, Stellas Gesten blind zu erkennen. Ich war quasi der alte Politiker und brauchte für das, was bei Jan schon nach zwei Tagen funktioniert, gute drei Jahre. Super!
„Und deswegen bitte ich euch nun an eure Plätze!“, höre ich den jungen Politiker. Ich drehe mich um. Was habe ich verpasst? Die Rede, für die ich genau sieben Minuten brauche, ist gerade offensichtlich auf genau dreißig Sekunden geschrumpft. Außer ich hätte die letzten sechseinhalb Minuten einfach verpennt.
Die Frauen setz en sich nacheinander an die Tische, die weder mit Blumen geschmückt, noch in einer Reihe nebeneinander aufgestellt sind. Bei dieser Sache habe ich mich schon vor Monaten gegen Stella durchgesetzt. Apropos Stella: Sie erklärt den Jungs, was sie machen müssen. Die meisten spielen mit den Karten, auf denen die Namen der Frauen in einer Tabelle notiert sind und versuchen sich nicht gegenseitig zu mustern. Stella sieht in meine Richtung und nickt. Ich lasse das erste Lied auf der Liste laufen. „You‘re the First, the Last, my
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