Amors Glücksfall (German Edition)
everything”, das einzige Lied, das immer gleich ist bei unserem Speeddating. Barry White, der alte Kitschkönig. Es kommt mir beinahe bescheuert vor, es ausgerechnet jetzt zu spielen. Auch wenn ich mich daran schon fast gewöhnt habe, bei mir zu Hause kommt eine solche CD nicht ins Regal. Laut Stella ist Barry White allerdings der perfekte Begleiter für jede Gelegenheit. „Sicher doch“, denke ich auch jetzt wieder und sehe zu ihr herüber. Sie lächelt mir zu und ist offenbar zuversichtlich, dass ich es als DJ für heute schaffen werde.
Ich drehe mein einziges Eingeständnis in Sachen Romantik so leise, dass die Lautstärke die Männer nicht irritiert. Auf einzelnen Gesichtern der Frauen erkenne ich hingegen so etwas wie Entspannung. Hat Stella womöglich Recht? Während die Männer sich zu ihnen setzen, greifen beinahe alle Frauen zu ihren Karten. Von meinem Platz aus kann ich sie alle sehen, obwohl die meisten Tische so stehen, dass sie sich gegenseitig nicht beobachten können. Mein Blick gleitet durchs Café und ich stelle erfreut fest, dass der Zufall ausgerechnet die heiße Lilli direkt vor mir platziert hat. Ein Typ mit einer schweren Lederjacke setzt sich zu ihr. Ich versuche an ihm vorbeizusehen, um mir ihr Gesicht genauer anzuschauen. Sie hat ihre Haare zu Locken gedreht. Der Rocker beugt sich nach vorne und sagt etwas, obwohl es eigentlich verboten ist, bevor Stella die Glocke läutet. Er hat sie bestimmt begrüßt oder vielleicht sogar den ersten Witz losgelassen. Für einen Moment hoffe ich sogar, dass es ein schlechter Witz war. Sie sieht nämlich verdammt gut aus. Sie gefällt mir richtig und ich frage mich, warum ihre Bilder so undeutlich waren. „So, und jetzt habt ihr genau drei Minuten!“, verkündet Jan. Ich höre die Glocke und dann schiebt sich ein Männerkopf vor meinen neuen Schwarm. Ich sehe an den beiden vorbei zu Tanja, der Romantikerin. Auch sie erkenne ich sofort. Den Mann vor ihr kann ich, genau wie sie selbst auch, von meinem Platz aus gut sehen. Die beiden sitzen an einem Tisch um die Ecke links neben Lilli mit ihrem Rocker. Tanja lacht leise auf, weil ihr Datingpartner es offensichtlich auch mit einem Witz versucht. Ich überlege, ob er wohl einer von ihren Forum-Freunden ist und ob sie ihn auch schon erkannt hat. Er hört nämlich überhaupt nicht auf zu reden. Dabei sind es jetzt nur noch höchstens sechzig Sekunden, bis die Runde vorbei ist und er lässt sie gar nicht zu Wort kommen. Nicht für einen klitzekleinen Moment. So ein Trottel!
Ich sehe wieder zu Lilli. Ihr Gesicht ist für mich jetzt nur zur Hälfte zu erkennen. Ihr Gesprächspartner ist mir im Weg. Irgendwie glaube ich aber nicht, dass die andere Hälfte von Lillis Gesicht fröhlicher schaut als die, die ich sehen kann. Stella lässt die Glocke erklingen. „Uuund Pause!“ Jans Stimme klingt, als sei er Regisseur bei einem Filmdreh.
Die Männer stehen auf und wechseln ihren Platz. Keiner verläuft sich. Ich bin noch immer überrascht, wie gut diese Sache mit den authentischen Tischplätzen, statt einer einfachen Tischreihe wie bei den anderen Speeddatinganbietern, funktioniert.
Als ich zu Lilli sehe, sitzt ein breitschultriger Kerl vor ihr und wartet auf seinen Einsatz. Ich glaube, dass auch er sie langweilen wird. Nein, ehrlich gesagt hoffe ich das eher immer noch. Ich höre die Glocke, lasse das nächste schnulzige Barry-White-Lied laufen und sehe mich weiter um. Jetzt erst wird mir bewusst, dass ich herausfinden muss, wo genau meine sicheren Kandidatinnen sitzen und welche Männer zu ihnen gehören. Ich hole mir ein Blatt Papier aus dem Drucker und fertige einen Plan des Cafés an. Dann beschrifte ich die einzelnen Tische. Wirklich sicher bin ich mir nur bei sechs Frauen. Diejenigen, die weiter weg sitzen, kann ich nicht genau zuordnen. Ich kann ihre Namensschilder zudem nicht erkennen. Mist.
Ich sehe nach Karim, der nirgends zu sehen ist. „Kannst du schauen, wie die Blonde dahinten heißt?“, bitte ich einen der Kellner. Wieder erklingt die Glocke. „Drei Minuten sind wirklich keine so lange Zeit“, stelle ich jetzt fest. Während die Männer wieder wechseln und ich das nächste Lied auflege, flitzt der Kellner im Chaos durch den Raum und erledigt seinen Auftrag. „Katja und Soni“, sagt er leise. „Die näher am Fenster ist Katja.“ Ich nicke ihm zu und beobachte, wie die nächste Runde losgeht. In das Kästchen neben dem Fenster schreibe ich „Katja“ und umrande den Namen. Sie ist eine
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