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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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war daher gezwungen, mit den Händen umherzutasten. Egal, wo ich suchte, ob oben oder unten, ich konnte den Ausgang nicht finden. Es gab mehrere Eingangsrutschen wie jene, durch die ich gefallen war, aber nirgendwo Türen oder Luken. Ich war verwirrt und wurde allmählich besorgt. Es war wenig hilfreich, dass ich ständig in hüfthohe Haufen einer übel riechenden, klebrigen Masse trat und darüber stolperte.
    Gott, was für ein Gestank!
    Ich hatte jahrelang in und rings um Abfall gelebt, aber ich hatte noch nie ein derart überwältigendes Aroma gerochen. Mir wurde davon richtig übel. Wenn ich nicht bald rauskam, würde ich mich übergeben. Schlimmer noch, die Uhr tickte. Ich hatte keine Zeit für solchen Mist.
    Draußen hörte ich den Lärm von Männern, die sich im Laufschritt näherten. Mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit verfluchte ich mich dafür, so lange gebraucht zu haben.
    Meine Chance zur Flucht war dahin. Ich hatte sinnlos mein Leben riskiert und war immer noch gefangen, keinen Deut besser dran als oben im Bluterzimmer. Zwar konnte ich die Wachleute nicht sehen, aber ich erkannte mühelos Drakes dröhnende Stimme, als er begann, etwas zu brüllen. Nein, Moment, Drake brüllte nicht, er lachte. Es war ein lautes, grölendes Gelächter, das mir aus unerfindlichem Grund das Blut in den Adern gefrieren ließ. Was konnte nur so komisch sein?
    »He, Mike«, rief Drake, immer noch lachend. »Du bist unbezahlbar! Ehrlich, ich hab die kleine Vorstellung genossen. Das war ziemlich dumm, aber verdammt mutig.«
    »Ja, echt lustig. Mach die verfluchte Tür auf und lass mich raus. Hier drin stinkt es erbärmlich.«
    Meine Äußerung brachte Drake und die Wachleute bei ihm nur noch ausgelassener zum Lachen. »Ach, wirklich?«, sagte er. »Und was denkst du wohl, woran das liegt? Lass mich dir eine Frage stellen, Mike. Bevor du beschlossen hast, auf die Rutsche zu springen, hast du da auch nur eine Sekunde lang überlegt, dass sich Abfallentsorgung vielleicht nicht unbedingt auf Müll bezieht?«
    Ich gebe zu, manchmal bin ich etwas langsam, und ich war nicht völlig sicher, wovon Drake redete, aber als ich hörte, wie ein Schloss entfernt wurde und sich eine Schiebetür an der Decke dieser Kammer öffnete, begann ich zu begreifen. Noch bevor Drakes grinsende Visage in der rechteckigen Öffnung auftauchte und er mit einer extrem grellen Halogenlampe auf mich herableuchtete, wusste ich, was ich sehen würde.
    Menschliche Körperteile.
    Selbst unter dem starken Licht der Lampe blieb das Innere der Kammer dunkel – hauptsächlich, weil jeder Quadratzentimeter der Wände mit so altem, geronnenem Blut überzogen war, dass es sich längst schwarz verfärbt hatte. Den gesamten Boden bedeckten Haufen aus triefendem, rotem Fleisch und teigig-gelben Knochen, unterschiedlich stark verwest. An den Stellen direkt unter mehreren Entsorgungsrutschen reichten sie bis halb die Wände hinauf. Arme, Beine, Füße, Hände, Rümpfe und sogar ein paar aufgedunsene Köpfe lagen um meine Füße verstreut. Der Grad an Abscheulichkeit war verblüffend, fast unbeschreiblich. Es war, als hätte jemand eine Bombe in einem Raum voller Leute detonieren lassen und wäre dann einfach davonspaziert.
    »Früher war es riskant, fehlgeschlagene Experimente zu entsorgen«, erklärte Drake. »Offensichtlich können wir solches Zeug nicht einfach in den Hausmüll werfen. Deshalb ließ Dr. Marshall diese spezielle Verbrennungsanlage bauen. Die Rutschen liefern den Abfall von verschiedenen Bereichen der Einrichtung an, aus den Labors, den Operationssälen und natürlich von oben im dritten Stock.
    Für gewöhnlich verbrennen wir ihn am Ende jeder Woche, spätestens alle zwei Wochen, aber wie es aussieht, waren wir zuletzt etwas nachlässig. Dieser Dreck modert wahrscheinlich seit mindestens einem Monat vor sich hin. Ich sollte besser dafür sorgen, dass er bald beseitigt wird. Vielleicht morgen.«
    Warum verschwendete er Zeit damit, mir das zu erzählen? Warum warf er mir kein Seil herunter oder ließ eine Leiter zu mir herab?
    »Hol mich hier raus, Drake. Bitte.« Es widerstrebte mir zutiefst, diesen lausigen Dreckskerl anzuflehen, aber ich wurde allmählich verzweifelt. Ich konnte es nicht ertragen, noch eine Sekunde länger in diesem menschlichen Schlachthaus zu bleiben.
    Drakes Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, als er kurz über meine Bitte nachdachte. »Nein, ich glaube nicht. Das ist ein guter Ort für dich, Mike – hier kann ich sicher sein,

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