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Amputiert

Amputiert

Titel: Amputiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gord Rollo
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bringen.
    »Tja, er ist letztlich übergeschnappt. Sein Körper liegt noch dort drüben, drittes Bett auf der rechten Seite, aber sein Verstand hat sich verabschiedet. Gott, wie ich ihn beneide!«
    »Sag so was nicht, Lucas. Du musst weiterkämpfen. Noch sind wir nicht tot.«
    Er starrte mich nur wieder mit jenem traurigen Ausdruck im Gesicht an, als bemitleidete er mich für meinen Optimismus, dann drehte er den Kopf in die andere Richtung und weigerte sich, weiter mit mir zu reden. Ich versuchte es noch einige Male, aber Rotbart meinte, ich solle mir den Atem sparen.
    »Vergiss es, Mike«, sagte er. »Manchmal wird er so, bevor wir angeschlossen werden. Bald geht es ihm wieder besser. Es wird immer besser, wenn es erst angelaufen ist. Du wirst sehen.«
    »Sag mir, was uns erwartet«, bat ich. »Was werden sie mit uns tun?«
    »Na schön. Es sieht folgendermaßen aus: Dr. Marshall watet hier durch ein Meer von Blut, um seine Experimente am Laufen zu halten. Einen Teil bezieht er von ein paar legalen Blutbanken, aber der Großteil stammt aus diesem Raum hier.
    Sieh dich um, Mike. Mit dir haben wir hier vierzehn warme Leiber, die festgezurrt auf die Krankenpfleger warten. Vierzehn! Das ist alles, um den Bedarf von Dr. Marshalls unzähligen Experimenten zu decken. Den Rest kannst du dir wohl selber ausrechnen.«
    »Das kann nicht dein Ernst sein«, gab ich zurück. »Er müsste jedem von uns eine Badewanne voll Blut abzapfen.«
    In diesem Moment beschloss Lucas, dass er doch in redseliger Laune war. »Haargenau! Die saugen uns fast leer.«
    Rotbart fügte rasch hinzu: »Na ja, nicht wirklich. Es fühlt sich bloß so an. Allerdings nehmen sie schon deutlich mehr, als sie sollten, soviel steht fest. Ich habe eine der Krankenpflegerinnen sagen gehört, dass ein durchschnittlicher menschlicher Körper je nach Gewicht rund fünf bis sechs Liter Blut enthält. Verliert man die Hälfte davon, kann man sich von der Welt verabschieden. Das Dumme ist nur, da unsere Gliedmaßen entfernt wurden, müssen wir weniger Blut als ein Durchschnittsmensch haben, richtig? Sagen wir mal, höchstens dreieinhalb bis vier Liter. Sie nehmen jedem von uns knapp anderthalb Liter ab, manchmal etwas mehr.«
    »Man fühlt sich komplett kraftlos und wie ein Haufen Scheiße«, meldete sich Lucas zu Wort. »Du wirst so müde sein, dass du ohnehin den ganzen Tag verschläfst. Dann lassen sie uns morgen ausruhen, damit wir neue Vorräte aufbauen können, bevor es wieder von vorne losgeht.«
    Mir fiel etwas von meinem letzten Besuch in diesem Raum ein. »Warum waren einige dann nachts angeschlossen? Ich weiß noch, dass ich mehr als einen von euch mit der Nadel im Kopf gesehen habe.«
    »Erinnere mich bloß nicht dran«, sagte Lucas und schauderte bei dem Gedanken. »Wir haben Überstunden geschoben. Wurden bestraft. Kommt hin und weder vor. Dr. Marshall wirft uns gelegentlich vor, nicht alles zu geben – als ob wir das beeinflussen könnten. Dann hängt er uns die ganze Nacht an die langsame Maschine. Die Nadeln schmerzen höllisch; das ist seine Art, uns zu missbrauchen und dafür zu sorgen, dass wir die Angst vor ihm nicht verlieren.«
    Wenige Minuten später stürmten zwei Krankenpflegerinnen und zwei große, muskulöse Krankenpfleger in den Raum. Sie traten durch und durch professionell auf und gingen sofort an die Arbeit. Die Krankenpflegerinnen bereiteten die Nadeln vor, die Krankenpfleger schlossen die Absaugmaschinen neben den Betten an und waren dafür zuständig, denjenigen von uns ein wenig Kooperation einzuprügeln, die es wagten, zu brüllen, zu weinen oder den Kopf von der Nadel wegzudrehen.
    Niemand sah uns in die Augen oder sprach ein Wort der Ermutigung oder des Mitgefühls. Man sollte meinen, sie würden wenigstens ein bisschen Mitleid mit uns haben, aber mir fiel nicht der leiseste Hauch davon auf, als sie methodisch ihrer Arbeit nachgingen.
    Wie können diese Leute so grausam sein?
    Ich wusste nicht, wie viel Dr. Marshall ihnen bezahlte, aber es musste eine hübsche Stange sein. Sonst könnte nie jemand einen solchen Job an jedem zweiten Tag verdauen. Es sei denn, sie waren genauso fanatisch von der Arbeit des Doktors überzeugt ... Nein, es musste am Geld liegen.
    Überraschenderweise schmerzte es nicht so sehr, wie ich erwartet hatte, als die lange Nadel in eine Vene an der linken Seite meines Gesichts eingeführt wurde. Zumindest nicht, als sie hineingeschoben wurde. Erst, als einer der Krankenpfleger die Absaugmaschine

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