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Amras

Titel: Amras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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durchsetzenden Suggestivwillen: mein Walter , und von Walter aus, ich, ich muß, so wie immer, auf meinem Epileptikersessel sitzen , sich tatsächlich niemand auf den einzigen im Wartezimmer befindlichen Epileptikersessel zu setzen getraute … sobald ich und mein Bruder, sobald wir beide auf dem Weg durch die Gärten hinunter sind, gleich wo, ja selbst noch im Turm, vor der Sill, dachte ich, und den Wunsch haben, daß der Epileptikersessel frei ist, für uns ist, für Walter ist … und unsere ganze Kraft, nicht nur Körperkraft, auch meine Geisteskraft, alle mir verfügbaren Kräfte zusammen, auch Walters Kräfte, sobald wir beide unsere sämtlichen Kräfte in diesen Wunsch investieren und diesen Wunsch, in dem Maße, in welchem wir uns, uns oft unausdenkbare Schmerzen zufügend, nähern, steigern, ja über steigern, sagte ich mir, wird Walters Epileptikersessel frei sein, er wird für ihn da sein … Wenn wir eintraten, waren die Patienten im Wartezimmer immer schweigsam erschrocken … danach immer wilder gesprächiger, in der Unkenntnis, wie mir schien, ihrer Todeskrankheiten versunken … Warum das Haus, eins der sezessionistischen, daher so trostlos ausschauenden Innsbrucker Innenstadthäuser, keinen Aufzug hatte wie alle anderen seiner Höhe und seines Alters, wie diese vielen anderen eng zusammengepferchten, die Bergstadt auf die denkbar gründlichste aller Verzweiflungsgrundlagen herunterdrückenden, von Erkervorsprüngen lächerlich, ja unerträglich gemachten, jeden in Kürze zu Verbrechen und Unzucht verleitenden und verführenden Häuser, war mir an diesem Nachmittag unklar … unklar auch, wie ein Arzt auf die Idee kommen kann, in einemdritten, vierten, fünften, gar sechsten Stockwerk, in welches kein Aufzug hinaufführt, zu ordinieren, ein Epileptikerarzt … das zu jeder Tageszeit übervölkerte Wartezimmer machte alles noch rätselhafter … an den vier Wänden hingen (hängen), jeweils zwei übereinander, die von uns so genannten ›Epileptikerbilder‹, Männer, Frauen, Kinder, Füchse, Katzen, Hunde während furchtbarer epileptischer Anfälle darstellend … alle möglichen Formen der Epilepsie … eine ganze Reihe der berühmt-berüchtigten ›Inntaler Tier- und Kinderepilepsie‹, gemalt von Schlorhaufer … Wichtig ist, sagte ich mir, das sagte ich mir ja immer, daß der Internist ein guter Internist ist …
    An Hollhof
    Geehrter Herr, als sich mein Walter im Wartezimmer beruhigt hatte, dachte ich an den von mir an demselben Mittag, zwei Stunden vor unserem Internistenbesuch unternommenen Spaziergang zum Zirkus hinunter, zu den Sillhöfen, Tantegert usf… . Ich war mit mehreren von mir am Vormittag geschriebenen Briefen fortgegangen, den ersten Briefen nach langer Zeit … in ihnen bedankte ich mich für die zahllosen Zuschriften, die wir bekommen hatten … Mich vor der Zutraulichkeit der mir bekannten Internistenbesucher schützend, deren Aufmerksamkeit wir fast ständig erregten, beobachtete ich, wie die Fliegen die süße Patientenausdünstung von den Wänden schleckten … Mir eine vor uns eingetretene Person, ein, das machte den Anblick so traurig, noch nicht einmal schulentlassenes, aber schon vom Trübsinn der Fraulichkeit angefallenes Mädchen, stumm vor sich hingrübelnd, mit einem vier oder fünf Quadratzentimeter großen Parkettbodenausschnitt beschäftigt, wahrscheinlich aber weit fort in einer Verlassenheit, mit einer Verlassenschaft ratlos beschäftigt, einprägend, ging ich, dem in der letzten Zeit (die überall, wo sich nur denken läßt, nur auf Zerstörung und Tod aus gewesen ist – unsere ängstliche, furchtsame Welt ist nichtmehr imstande gewesen, die Zeit und ihr Räderwerk zu hintergehen … wo wir hinschauten, scheiterte sie, überall und in allem und jedem, in den Städten wie auf dem Land, in dieser Zeit, die die Menschen am liebsten, wäre das möglich, über so lange Strecken von Trostlosigkeit hätten verschlafen wollen), ging ich, dem in den Wochen nach unserer Katastrophe, vor Walters Tod, nichts verdrießlicher und nichts schwerer geworden war als zu atmen, der wochenlang, wenn schlaflos, immer gezwungen war, jeden Atemzug seiner Lungen zu registrieren, und dem seine Atemzüge geräuschvoller vorgekommen, unerlaubter gewesen sind als die Atemzüge der andern, als alle unbewußten, alle unbewußten Atemzüge der Jugend und der Gesundheit … an die nur mir eigene, von mir geradezu mit wunderbarer Erschütterung vorgenommene Rekonstruktion des sich mir nur noch

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