Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
denn sie heckt Verbrechen aus, hauptsächlich traurige, keine spektakulären. Die Wohngegend ist bekannt wegen ihrer Familienstreitereien, wegen Rauschgifthandels in kleinem Umfang, wegen der Einbrüche und Raubüberfälle, verübt von jugendlichen Banden, die umherstolzieren, älteren Passanten den Weg versperren, Autos und Motorräder stehlen und einsame Homosexuelle belästigen. Die Gegend ist zum Untergang verurteilt, denn die Stadtplaner werden sie beseitigen, sie mit Dynamit in die Luft sprengen, um Platz für parkumgrünte Appartementhäuser zu schaffen, aber die Verwaltung arbeitet langsam, und der Straßenmarkt wird noch viele Jahre bestehen, als riesiges Warenhaus fungieren, Lebensmittel und Haushaltswaren billig verkaufen, einen Absatzmarkt für unverkäufliche Industriegüter des Landes sowie für Spekulanten unter den Händlern bieten, die auf eigene Rechnung importieren oder schmuggeln oder, was seltener ist, gestohlene Ware kaufen.
Cardozo war es gelungen, sich mit seinem grauen Lieferwagen auf den Fußweg zu drängen. Er lud Ballen für Ballen fröhlich bedruckter Textilien ab, die de Gier auf den abgewetzten Brettern des Eckstandes stapelte, ihnen für diesen Tag zugeteilt vom Marktmeister, der ihnen wissend zugeblinzelt hatte, als de Gier, mit seinem Erlaubnisschein wedelnd, ihn in seinem kleinen Büro aufgesucht hatte.
«Viel Glück», sagte der Marktmeister. «Ihr seid hinter Rogges Mörder her, möchte ich wetten. Es ist besser, daß ihr ihn kriegt. Abe Rogge war populär hier und wird vermißt werden.»
«Sag’s keinem», sagte de Gier.
«Ich verrate die Polizei nicht. Ich brauche die Polizei hier. Ich wollte, ihr würdet regelmäßiger über den Markt patrouillieren. Zwei uniformierte Konstabel können den eineinhalb Kilometer langen Markt nicht im Auge behalten.»
«Hier sind auch welche von der Kripo.»
«Ja», sagte der Marktmeister, «aber nicht genug. Hier gibt es immer einige Schwierigkeiten, vor allem an einem heißen Tag wie heute. Wir brauchen mehr Uniformen. Wenn die einen glänzenden Mützenschirm sehen und hübsch blankgeputzte Knöpfe, werden sie schnell ruhig. Ich habe schon ans Büro vom Hoofdcommissaris geschrieben. Er antwortet zwar, aber immer dasselbe: Personalmangel.»
«Beschweren, beschweren, beschweren!» sagte de Gier.
«Wie meinst du das?»
«Wie ich es sage. Beschwer dich weiter. Es hilft. Du wirst mehr Konstabel bekommen.»
«Aber sie werden aus irgendeinem anderen Stadtteil kommen, und dann wird es dort Schwierigkeiten geben.»
«Dann kann ein anderer anfangen, sich zu beschweren.»
«Ja», sagte der Marktmeister und lachte. «Ich denke nur an meine eigenen Schwierigkeiten. Was ist mit dir? Wirst du den Mann schnappen?»
«Sicher», sagte de Gier und ging.
Aber er war nicht so sicher, als er wieder zum Stand kam. Cardozo beschwerte sich ebenfalls. Die Ballen seien zu schwer.
«Ich hol dir einen Kaffee», sagte de Gier.
«Ich kann mir den Kaffee selbst holen. Ich möchte, daß du mir beim Abladen der Ballen hilfst.»
«Zucker und Milch?»
«Ja. Aber hilf mir zuerst.»
«Nein», sagte de Gier und verließ den Stand. Er fand ein Mädchen, das ein Tablett mit leeren Gläsern trug und seine Bestellung entgegennahm. Er bestellte außerdem Fleischbrötchen und Bockwurst.
«Du bist neu hier, nicht wahr?» Das Mädchen war hübsch, de Gier lächelte es an.
«Ja. Heute das erste Mal. Wir sind schon auf anderen Märkten gewesen, hier noch nie.»
«Dies ist der beste Markt im Land. Was verkaufst du?»
«Hübsche Kleider- und Vorhangstoffe.»
«Machst du mir einen Sonderpreis?» Das Mädchen streckte die Hand aus und tätschelte seine Wange.
«Na klar.» Er lächelte wieder, sie antwortete mit einem Schwenken der Hüfte. Er hatte es nicht eilig, zum Stand zurückzugehen, aber Cardozo sah ihn und rief und sprang auf und ab und wedelte mit den Armen.
Zusammen richteten sie den Stand ein und drapierten einige Textilien auf eine Art und Weise, die sie für attraktiv hielten.
«Das haut nicht hin», murmelte Cardozo bei der Arbeit. «Der Kerl auf der anderen Straßenseite weiß, wer wir sind. Er sieht uns immerzu an. Wer ist das überhaupt?»
De Gier schaute und winkte. «Louis Zilver. Ich habe den Marktmeister gebeten, uns einen Stand in seiner Nähe zu geben. Er war Abe Rogges Partner. Er verkauft Glasperlen, Wolle, Seide zum Sticken und solche Sachen.»
«Aber wenn er uns kennt, wird er die Nachricht verbreiten, oder?»
«Nein, das wird er nicht.
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