Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
kostspieligen Gewohnheiten, aber er hatte etwas gegen dessen Schwäche. Zusammen waren sie von der Universität abgegangen, weil sie eingesehen hatten, daß man sie nur ausbilde, ein Establishment zu akzeptieren, das unglaublich stumpfsinnig ist und nur Unrecht erzeugt. Sie wollten eine neue Lebensweise finden, ein Abenteuer, ein gemeinsames Abenteuer. Zusammen wollten sie verrückte Dinge unternehmen, etwa mit einem lecken Boot in einem ausgewachsenen Sturm segeln, auf Kamelen durch nordafrikanische Wüsten reiten, seltsame Bücher lesen und erörtern und mit einem alten Lastwagen durch osteuropäische Länder fahren. Abe hat mir mal erzählt, daß sie ihren ersten Lastwagen auf der ersten Fahrt verloren haben. Sie hatten einen Tip bekommen, daß eine tschechoslowakische Fabrik billig Glasperlen verkaufe, und sie fuhren im Winter hin. Sie kauften alle Perlen, die der Lastwagen fassen konnte, aber die Verpackung war nicht sehr gut. In der Fabrik hatte man ihnen schwache Kartons gegeben, zusammengehalten durch Papierbindfaden. Auf dem Rückweg waren die Straßen vereist, so daß der Lastwagen ins Schleudern geriet und umkippte. Abe sagte, die Glasperlen hätten sich bis zum Horizont ausgebreitet und das Licht der untergehenden Sonne eingefangen. Er und Bezuur seien auf und ab gesprungen und hätten gelacht und geweint, so schön sei der Anblick gewesen.»
«Und?» fragte der Commissaris.
«Nun, sie verloren die Ware und den Lastwagen und mußten zurücktrampen. Bezuur sagte, für ihn sei der Augenblick sehr wichtig gewesen. Es sei eine Art von Erwachen für den Unsinn menschlichen Strebens und die Schönheit der Schöpfung gewesen. Aber er sagte, mit Worten könne man diesen Sinneseindruck nicht beschreiben.»
«Hmm», sagte der Commissaris zweifelnd. «Ich habe Bezuur kennengelernt, wissen Sie, aber diese Fähigkeit schien er nicht zu besitzen. Ich kann ihn mir nicht vorstellen, wie er auf und ab springt in einer weißen Landschaft, bedeckt mit glitzernden Glasperlen.»
«Nein», sagte Zilver. «Genau. Er hat diese Fähigkeit verloren. Abe sagte, er sei zwar ein wenig wach geworden, habe es aber geschafft, wieder einzuschlafen. Er nannte ihn einen hoffnungslosen Fall.»
«Und er ließ ihn fallen?»
«Ja. Bezuur kam weiterhin zum Haus, aber Abe jagte ihn immer weg. Er wollte ihn nicht einmal einlassen, sondern er sprach mit ihm an der Haustür. Abe konnte sehr unangenehm werden, wenn er wollte. Und es könnte andere Gründe gehabt haben. Bezuur hat Esther mal geliebt und versucht, sie zu kriegen. Ich glaube, sie haben ein paarmal miteinander geschlafen, aber Esther wollte ihn eigentlich gar nicht, vor allem nicht, als er versuchte, sie mit seinem Wagen und dem Bungalow und allem anderen zu beeindrucken. Er heiratete eine Freundin von ihr, aber die konnte ihn auch nicht ertragen. Ich glaube, sie ist jetzt irgendwo in Frankreich und lebt in einer Hippiekommune.»
«Warum hat er denn Esther nicht umgebracht?»
«Er konnte sie mehr verletzen, wenn er ihren Bruder ermordete. Abe war die Sonne in Esthers Leben.»
«Sie hat jetzt eine andere Sonne in ihrem Leben», sagte Cardozo.
«Der Brigadier?»
«Es sieht so aus», sagte der Commissaris.
«Ein Polizist?» fragte Zilver.
Der Commissaris und Cardozo musterten Zilvers Gesicht.
«Schon gut», sagte der Commissaris. «Wann haben Sie herausgefunden, daß es Bezuur gewesen sein muß?»
«Gestern abend auf der Party. Der Freund, der mir von dem sportlichen Zielwurf mit der Angel erzählte, ist Straßenhändler. Er kam zu der Party und sagte mir, Bezuur sei in ihrem Verein Meister. Bezuur ist außerdem ein guter Schütze. Abe hatte ein altes Gewehr in seinem Boot und schoß damit auf treibende Flaschen auf dem See. Ich tu das auch gern. Abe sagte immer, Bezuur sei der beste Schütze, dem er je begegnet sei.»
«Der Besitz einer Feuerwaffe ist heutzutage ein Verbrechen», sagte Cardozo.
«So?» fragte Zilver. «Also das hätte ich nie gedacht.»
«Hätten Sie uns etwas über Bezuur gesagt?» fragte der Commissaris.
«Nein. Aber nun habe ich es jedenfalls getan. Ich habe Ihnen gesagt, ich würde der Polizei nie helfen, und schon gar nicht absichtlich.»
«Bezuur hat jetzt zweimal gemordet», sagte der Commissaris. «Sein anderes Opfer war eine alte Dame, die gesehen haben muß, wie er wenige Stunden nachdem er Abe umgebracht hatte, im Recht Boomssloot herumlungerte. Er ist vermutlich zurückgekommen, um zu sehen, was die Polizei unternahm. Er hatte sich sogar
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