Amy on the summer road
Colorado.
– Bowling for Soup
»Hallo, hier ist Amys Mailbox. Hinterlasst eine Nachricht, ich melde mich dann bei euch. Danke!«
Piep.
»Amelia. Hier ist deine Mutter. Ich bin wenig begeistert, dass du mich gestern nicht zurückgerufen hast. Langsam mache ich mir wirklich Sorgen, vor allem weil kein einziges Hotel einen Check-in von euch bestätigen kann. Ruf mich sofort an!«
»Hallo, hier ist Pamela Curry. Leider erreichen Sie mich jetzt nicht. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht mit Namen und Telefonnummer, ich rufe dann so schnell wie möglich zurück. Vielen Dank.«
Piep.
»Hallo, Mom. Mann, wir verpassen uns ja echt andauernd. Verrückt. Aber alles ist bestens! Kein Grund zu Sorge. Wir, ähm, hatten Stau außerhalb von ... Oklahoma, aber den haben wir längst hinter uns. Deshalb sind wir ein bisschen im Rückstand. Aber die Hotels haben wir problemlos gefunden. Wir kommen gut voran und alles läuft prima. Also mach dir keine Sorgen!«
»Ist es ein Mann?«, fragte mich Roger.
»Ja«, antwortete ich. »Sechzehn.«
»Lebt er noch?«
»Nein. Fünfzehn.«
»War er ein Entdecker?«
»Das kannst auch nur du fragen. Nein«, entgegnete ich.
»Na, du fragst mich das doch andauernd.«
»Weil du dir ständig Entdecker aussuchst.«
»Okay, Punkt für dich. Ist er berühmt?«
»Ja. Vierzehn.«
»Hmm.« Roger trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, während ich mich bequem im Schneidersitz hinlümmelte und aus dem Fenster sah.
Die Sonne ging langsam unter und wir waren den ganzen Tag gefahren. Am Morgen kamen wir viel später los als geplant, weil ich zu meiner grenzenlosen Überraschung schon wieder die ganze Nacht durchgeschlafen hatte und noch in tiefstem Schlummer lag, als die Rezeption uns um zehn empört anrief. Zumindest dachten wir, dass es um zehn war. Aber weil keiner von uns an die Zeitverschiebung gedacht hatte, war es in Wirklichkeit schon elf. Dadurch hätten wir beinahe einen Zuschlag für verspätete Abreise zahlen müssen. Also fuhren wir lieber sofort los und hielten irgendwo unterwegs für einen Brunch an. Ich hatte festgestellt, dass ich Diners toll fand, diese kleinen, einfachen Lokale am Straßenrand. Und Roger fand die Jukeboxen in diesen Diners super.
Die Fahrt durch Utah – auf der mir zu Ohren kam, dass Kanada vermutlich von John Cabot entdeckt wurde, und Roger erfuhr, wer Stephen Sondheim war – war unglaublich faszinierend. Die Landschaft erschien uns noch viel beeindruckender als entlang des Highway 50, weil es jetzt endlich
was zu sehen gab. Und zwar wirklich atemberaubende Sachen. Diese gigantischen roten Felsplateaus und die bizarren, an Treibholz erinnernden Bäume wirkten wie aus einer anderen Welt, von der ich unaufhörlich Fotos machen musste. Was Roger saukomisch fand, weil für ihn Bäumefotografieren so ziemlich das Albernste war, wovon er je gehört hatte. Wie schon am Tag vorher sah es aus, als hätte jemand die Landschaft ausgeklappt, damit man unendlich weit sehen konnte, und das alles unter einem Himmel, der noch viel größer und blauer war als der in Nevada – ich schwör’s.
Seit wir wieder auf der Interstate waren, standen immer wieder Verkehrsschilder am Straßenrand, von denen ich die meisten noch nie gesehen hatte. Zu dem rätselhaften Zeichen mit der Aufschrift OPEN RANGE CAUTION kamen diverse, mir ebenfalls völlig unbekannte Tierschilder mit Antilopen, Kühen oder Kühen mit Hörnern. Es gab auch noch welche mit Hirschen drauf, aber die hatte ich schon in der Nähe von Yosemite gesehen. Ich fand es einigermaßen beängstigend, dass Kühe mit Hörnern hier offenbar einfach so über die Interstate rennen. Und das so oft, dass man Warnschilder deswegen aufstellen musste.
Als wir nach Colorado kamen, veränderte sich die Landschaft allmählich wieder. Die weiten Ebenen, die wir in Nevada und Utah gesehen hatten, wurden zunehmend bergiger, und plötzlich waren auch die Kiefern wieder da. Jetzt gab es am Straßenrand Schilder, auf denen der Grad der Steigung angegeben war, und die Straße wurde immer kurvenreicher und bergiger. Erst fuhr man Ewigkeiten nur bergauf und dann ging es urplötzlich steil bergab. Für den Liberty kein
Problem, dafür aber für die Trucker – vor allem bergab. Da gab es völlig unglaubliche Warnschilder, so eine Art mentale Unterstützung speziell für Lkw-Fahrer nach dem Motto: STEILER ANSTIEG, TRUCKER VORSICHTIG FAHREN! oder TRUCKER! ES IST NOCH NICHT GESCHAFFT! WIEDER 6 % ANSTIEG UND
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