Amy on the summer road
zurück in den Eimer, um Roger nicht beim Telefonieren zuzuhören. Trotzdem rutschte ich auf meinem Sitz unwillkürlich ein Stück tiefer, sodass ich
ihn im Seitenspiegel beobachten konnte. Ich sah ihn zwar nur im Profil, aber er kam mir nicht gerade entzückt vor. Sein Lächeln wirkte irgendwie gezwungen. Dabei fiel mir plötzlich auf, dass ich inzwischen in der Lage war, seine Stimmung einzuschätzen.
Roger stieg wieder ein und schlug die Tür einen Tick lauter zu als nötig. Statt den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, spielte er unschlüssig damit herum und legte ihn dann auf seinem Knie ab. Er sah müde aus, und die Energie, die ihn sonst immer umschwirrte, schwächelte sichtlich.
»Alles okay?«, erkundigte ich mich.
»Jaja«, sagte er in Richtung Schlüssel und mied nach wie vor meinen Blick. »Also, gute Nachrichten. Ich hab ein Obdach für uns gefunden. In einem der Häuser außerhalb vom Campus. Normalerweise ist es das International House , aber jetzt in den Ferien wohnen da Leute, die hier Sommerkurse machen.«
»Super«, antwortete ich. Bei genauerem Hinsehen sah er alles andere als zufrieden aus. »Ist doch toll, oder nicht?«
Roger seufzte nur. »Also, die Sache ist die«, begann er. Auf der Stelle erstarrte ich. »Ich muss dir was sagen. Wär eigentlich schon längst fällig gewesen.«
»Okay«, erwiderte ich und war jetzt echt beunruhigt. Hatte er die Nase voll von mir und wollte hier bei seinen Freunden bleiben? Würde er mich auf halber Strecke einfach hängen lassen?
»Also, der Grund, weshalb wie hier sind«, fuhr er fort und sah mich immer noch nicht an, »ist, dass ... ich hab halt gehört, dass Hadley hier sein soll.«
»Aha«, antwortete ich. Plötzlich begriff ich, wieso Roger am Morgen so auf sein Handy fixiert gewesen war. »Und – ist sie da?«, fragte ich so beiläufig wie möglich.
»Nein«, antwortete er, und mir wurde gleich ein bisschen besser. »Von einer Freundin hatte ich erfahren, dass sie hier zum Sommerkurs ist. Aber anscheinend ist sie inzwischen schon wieder zu Hause in Kentucky.«
»Aha«, sagte ich wieder. Irgendwie fühlte ich mich mit der ganzen Sache überfordert.
»Sie hat auf meine Anrufe oder Mails kein einziges Mal reagiert. Und da dachte ich, wenn ich selber herkomme und sie sehe, dann könnten wir miteinander reden und dann vielleicht ...« Er runzelte die Stirn. »Ach, ich weiß auch nicht.«
Amy! hätte genau gewusst, was in so einem Fall zu tun ist. Nie und nimmer würde es ihr passieren, dass sie vor lauter Unsicherheit keinen Ton herausbringt und sich so unsäglich kindisch und naiv vorkommt. »Äh«, stammelte ich schließlich. »Was ... ich meine, was ist denn zwischen euch los gewesen?«
Hinter uns hupte es, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass ein Minivan an die Zapfsäule wollte und der Fahrer ziemlich genervt war von unserer Quatscherei. Roger startete den Wagen und lenkte ihn zurück auf die Interstate. Nachdem wir eine Zeit lang schweigend vor uns hin gefahren waren, nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. »Ich weiß auch nicht, was gewesen ist«, seufzte er. »Wenn ich das wüsste, wären wir jetzt wahrscheinlich nicht hier.«
»Hm«, machte ich und fragte mich, ob wir das Thema vielleicht wie »Twenty Questions« aufziehen sollten, wo am
Ende als Antwort Der-Grund-warum-Hadley-mich-verlassen-hat rauskommt. »Was hat sie denn gesagt?«
Roger knetete am Lenkrad herum. Seine Stirn hatte immer noch tiefe Falten und er wirkte abwesend und unglücklich. Wodurch mir aber vor allem klar wurde, wie gut gelaunt er sonst immer war. Wie so viele andere Sachen war mir das erst aufgefallen, als es anders wurde. »Es war in der Prüfungszeit. Wir wollten uns eigentlich in der Bibliothek treffen – ich sollte ihr beim Büffeln für die Geschichtsprüfung helfen. Dafür hatte ich sogar Karteikarten vorbereitet«, berichtete er und ich hörte, dass ihm das peinlich war. »Aber dann kam sie in mein Zimmer und...« Roger machte eine Pause, und ich sah, wie er die Zähne zusammenbiss und ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. »Sie hat gesagt«, erzählte er weiter, »dass es vorbei ist mit uns. Dieses Gefühl hätte sie schon lange gehabt und wollte es nun endlich aussprechen, weil es sie beim Lernen stört.«
»Das hat sie gesagt?«, fragte ich fassungslos.
»Jep«, antwortete er und lachte kurz und traurig auf. »Hadley war noch nie besonders feinfühlig. Tja, und meine Prüfungen sind dann natürlich nicht so toll gelaufen. Irgendwann
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