An den Feuern von Hastur - 9
bisher unerforschten Sinn wahr. Sie war eins mit der unbekannten Musikerin.
Es war eine Frau, sagte sie zu sich selbst. Das stand f ü r sie zweifelsfrei fest. Die Empathie zwischen ihnen war stark, aber ein so faszinierendes Instrument hatte sie noch nie gespielt oder auch nur gesehen.
Leonie verlor sich in dem Klang. Es war so schN on, nur zu lauschen und dahinzutreiben .
Sie mußte aus der Trance in richtigen Schlaf geglitten sein, denn als sie die Augen ö ffnete, hatte es aufgeh ö rt zu regnen, und die Muster, die das Mondlicht auf die W ä nde warf, gaben ihrem Zimmer ein seltsames und anderweltliches Aussehen. Mitternacht — das erkannte sie an dem Winkel der drei Monde, die sie durch das Fenster sah — war l ä ngst vorbei. Der Klang der Fl ö te war verschwunden, sogar aus ihrem Kopf. Vielleicht hatte die Abwesenheit dieses Klanges sie geweckt. Hatte sie getr ä umt? Nein, denn die Erinnerung an die geheimnisvoll ver ä nderte Fl ö tenmelodie war kein Traum, sondern so wirklich wie jede Musik, die sie je geh ö rt hatte. Sie h ä tte auf dem Instrument spielen, die unvertrauten Melodien zur ü ckrufen k ö nnen — wenn das Instrument dagewesen w ä re. Doch sie bekam es nicht wieder zu fassen.
VII
Die F ä hre war auf dem Weg nach unten, und Ysaye gr ü belte weiter dar ü ber nach, was sie an Bord zu suchen hatte. Sie war sich immer noch nicht sicher, wie das zustande gekommen war. Jetzt, da sie die obere Atmosph ä re durchdrungen hatten, lag eine dicke Schicht Rauhreif auf den Fenstern. Deshalb gab es nicht viel zu sehen.
Gewiß gab es genug zu f ü hlen. Ysaye h ä tte gern gewußt, ob solche Turbulenzen als normal galten. Sie war fest angeschnallt, aber das kleine Fahrzeug wurde von den unerwartet heftigen Winden herumgeworfen, und sie war dankbar daf ü r, daß Ralph MacAran, der Zweite Offizier, der an den Kontrollen der F ä hre saß, ein ausgezeichneter Atmosph ä re-Pilot war. Nach dem Gesichtsausdruck der ü brigen Leute zu schließen, die diese erste Landung mitmachten, war sie da nicht die einzige. Die Atmosph ä re dieses Planeten gab ihnen eine sehr st ü rmische Einf ü hrung in sein Klima.
Ist das — normal? fragte sie schließlich. Sie beugte sich vor, damit MacAran sie h ö ren konnte.
Ehrlich gesagt, nein. Dies ist wirklich sehr schlechtes Wetter, und wir sind gerade erst hineingetaucht. Andererseits konnten wir bei all diesen Bergen nicht erwarten, einen Ferienort vorzufinden , antwortete der junge Mann an den Kontrollen.
Ysaye hoffte, er sei so zuversichtlich, wie seine Stimme klang. Als Zweiter Offizier (der Kapit ä n konnte das Schiff nicht verlassen, der Erste Offizier auch nicht) besaß Commander MacAran unter den Anwesenden den h ö chsten Rang, und wenn irgendein Notfall eintrat, hatte er den Befehl. Dieser st ä mmige Mann Mitte Zwanzig, mit dem K ö rperbau eines Berufsringers und dem dichten, lockigen blonden Haar, war j ü nger als die meisten seiner Untergebenen . Zu anderen Zeiten h ä tte Ysaye nicht daran gedacht, seine Kompetenz und Erfahrung in Frage zu stellen. Im Augenblick wirkte er jedoch schrecklich jung .
Und von Minute zu Minute wirkte er j ü nger und weniger zuversichtlich. Mein Gott , murmelte er, mit den Kontrollen k ä mpfend. Ich dachte, die Wetterkarten h ä tten dies als ein relativ ruhiges Gebiet ausgewiesen! Die Windst ä rke hier ist die absolute H ö lle. Alles festhalten!
Die F ä hre bockte, fiel dann wie ein Stein, stand kurz unter negativen ge’s und schleuderte sie alle gegen die Gurte. Elizabeths blasses Gesicht und zusammengebissene Z ä hne verrieten ihre Furcht, und von jemandem hinter Ysaye kam ein erstickter Aufschrei. F ü r kurze Zeit beruhigte sich die F ä hre, und Ysaye vergewisserte sich, daß ihre Gurte noch richtig fest saßen. Sie alle kannten die Risiken der ersten Landung auf einem zu erforschenden Planeten. In diesem ersten Moment ist noch alles unbekannt und fremd. Wenn die F ä hre den Boden ber ü hrt, ist das einzige, was man als sicher voraussetzen darf, daß man nichts als sicher voraussetzen darf. Zum Beispiel k ö nnte man auf einer noch nicht erforschten Welt in ein Revier von Fleischfressern — vielleicht riesigen Sauriern — geraten, in deren Augen die Neuank ö mmlinge gerade richtig f ü r einen kleinen Imbiß sind. Oder man landet auf einem Planeten, der von winzigen Lebensformen bewohnt wird, und zerst ö rt eine ganze Stadt dieser kleinen Lebewesen, ohne sich dessen bewußt zu sein.
Die F ä hre
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