An den Feuern von Hastur - 9
schliefen in Meloras Zimmer, zusammengerollt wie K ä tzchen. Nur die eine junge Frau am Relais war wach, und sie war so weit vom normalen Bewußtein entfernt, daß sie ebensogut auf einem der fernen Monde h ä tte weilen k ö nnen. In Leonies Zimmer war es k ü hl und still, der Wind von draußen kr ä uselte kaum die Vorh ä nge. Doch das Gef ü hl einer Katastrophe blieb, und sie meinte immer
noch, auf etwas Hartes gefallen zu sein.
Langsam ließ das Zittern nach. Leonie machte sich daran, ihre
vagen Erinnerungen zu analysieren. Seltsame, fremdartige S ä tze erklangen in ihrem Kopf.
Das Fahrgestell ist hin . wir werden nirgendwohin gehen . Aber was war ein Fahrgestell , und warum sollte sie sich
w ü nschen, irgendwohin zu gehen?
Jetzt, da ihre eigene Furcht verebbte, fragte sie sich, warum sie
von einer solchen Verwirrung erf ü llt war. Warum qu ä lte sie der Gedanke, versagt zu haben?
Dies war Dalereuth, nicht das Gebirge — hier w ü rde noch einige
Zeit kein Schnee fallen —, was sollten da Erinnerungen an scharfe,
schneidende Winde, gegen die sie ank ä mpfen mußte, um zu ü berleben?
Windscherung. Noch ein unverst ä ndlicher Ausdruck. Was war
das? Und warum geriet sie bei diesem Wort in Panik? Sie versuchte, diesen unvertrauten W ö rtern eine Bedeutung abzuringen, aber pl ö tzlich kam ihr zu Bewußtsein, daß sie keiner Sprache
angeh ö rten, die sie kannte, und daß sie ihren Sinn irgendwie erfaßt
hatte, ohne genau zu wissen, wie sie ausgesprochen wurden. Diese einfache Tatsache ließ sie einen Teil der Wahrheit erkennen,
und damit begann sie zu begreifen. Die Gedanken, vielleicht sogar
der Sturz und der Aufschlag, geh ö rten nicht ihr. Sie hatte sie von
jemand anders aufgefangen.
Leonie entspannte sich ein bißchen. Als Telepathin war sie, wenn
auch noch nicht schulgerecht ausgebildet, mehr oder weniger daran
gew ö hnt, daß Gedanken aus unerwarteten Quellen in ihr Gehirn
krochen. F ü r sie war die Bedeutung dessen, was gesagt wurde, immer
wichtiger gewesen als die Worte selbst, so daß sie nur selten ü ber
ihre Form nachdachte.
Nur einen Augenblick lang beruhigte es sie, eine L ö sung des
R ä tsels gefunden zu haben. Doch dann arbeitete ihr Verstand weiter. Sie hatte die Ausdr ü cke nicht verstanden. Fremde Gedanken,
in Worte gekleidet, die sie nicht verstand — das ä ngstigte sie von
neuem.
Was geschieht mit mir? fragte sie laut und dr ü ckte die Bettdecke an ihre Kehle.
Sie dachte an die Nacht vor ihrer Ankunft im Turm und die Vorahnung naher Gefahr, die sie beim Anblick der vier Monde gehabt hatte. Etwas bedroht uns. Etwas kommt zu uns, und es kommt von
den Monden.
Damals hatte sie nicht gewußt, was sie damit meinte. Sie wuß
te es auch jetzt nicht, wußte nur, daß etwas ihre Welt, ihre ganze
Lebensweise bedrohte. Aber es gibt keine Luft auf den Monden .
Leonie hatte erst von ihrem Bruder geh ö rt, daß die Monde Welten waren — doch dies war anders. Sie hatte sich die Monde nie als
Welten vorgestellt, hatte nie dar ü ber nachgedacht. Jetzt hatte die
gleiche unbekannte Quelle ihr das Wissen vermittelt, daß es sich um
eine Tatsache handelte, und das Wissen machte ihr Angst. Keine Luft — Menschen konnten dort nicht leben. Warum sollte
Gefahr von den Monden kommen? Und welche Verbindung gab es
mit ihrem Traum?
Eine so starke Telepathin wie Leonie lernt oft mit wenig oder
uberhaupt keiner M ü he, indem sie die Gedanken der Personen ihrer
Umgebung auff ä ngt. Leonie erwarb sich Kenntnisse aus obskuren
Quellen, und h ä ufig wurde ihr der Ursprung dieser Dinge niemals
klar. Das war f ü r sie nichts Neues. Es gab keinen Grund, warum sie
sich wegen eines so vertrauten Vorgangs jetzt f ü rchten sollte. Aber sie f ü rchtete sich. Es war die unbekannte Natur der Information, nicht die unbekannte Quelle, die sie ä ngstigte. Sie war in
Verbindung mit einem . einem fremden Verstand gewesen. Und das war l ä ngst nicht alles. Leonie fuhr fort, ihre Furcht zu
analysieren. Es gab tats ä chlich einen Zusammenhang zwischen den
Monden und dieser Gedanken-Quelle. Etwas an der Quelle der fremden Gedanken bedrohte nicht nur sie allein, sondern die Existenz all
dessen, was sie kannte und liebte.
Sie legte sich wieder hin, als wolle sie weiterschlafen, doch statt zu
schlafen versuchte sie, sich auf die unbekannte Quelle der Bedrohung
zu konzentrieren. Ein Zittern ü berlief sie bei dem Entschluß, sich in
die ü berwelt zu wagen. Aber wo sonst konnte sie nach einer Gefahr
Ausschau halten,
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