An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
Fluss hinter sich gebracht hatte.
„Schau nicht hin, Natas!“, flüsterte Wolf, „das hier ist die dunkle Seite Elderwalls. Niemand kann diesen Menschen helfen, sie ha-ben ihren Weg gewählt!“
Lautes Geschrei aus einem der Schänken ließ beide aufho r chen, als ein offensichtlich betrunkener Störenfried in großem Bogen auf die Straße geworfen wurde. Laut pöbelnd richtete er sich auf und ballte wankend die Fäuste. „Komm raus du, Mistkerl! Wenn du dich traust!“, lallte der Tru n kenbold.
Ein großgewachsener, kahlköpfiger Mann trat aus der Sp e lunke, lief wütend auf den Schreihals zu, packte ihn mit einer Hand am Hals und hob ihn, ohne große Anstrengung in die Höhe, so dass dessen Beine hilflos in der Luft zappelten.
„Wenn du mich reizen willst, du Wicht! Dann breche ich dir dein Genick!“, raunte der Riese mit kerniger Stimme.
„Ist schon gut! Ich hab verstanden, Thorben!“, röchelte der A n getrunkene wundersam nüchtern.
„Gut!“ Thorben nickte zufrieden und beförderte den Aufsä s sigen mit einem kräftigen Stoss an die gegenüberliegende Häuserwand, wo dieser sich hastig aufrichtete und stolpernd das Weite suchte.
Wolf ging weiter, blieb vor dem haarlosen Türwächter stehen und unterhielt sich mit ihm. Das Antlitz des Mannes war verunstaltet von einer beeindruckenden Narbe, die sich quer über sein G e sicht zog. Er lehnte lässig, mit verschränkten Armen, neben dem geöffneten, zweiflügeligen Tor des großen Hauses, aus dem g e dämpfte Musik zu hören war. Ein blass roter, wallender Vorhang, mit verfranster Bodennaht und unzähligen, dürftig reparierten Rissen, versperrte dem neugi e rigen Jungen die Sicht ins Innere des eigenartigen Geschäfts.
Der finster dreinblickende Mann hörte Wolf aufmerksam zu, nickte, drehte sich um und streckte dann seinen Kopf durch den dichten Schleier. „Rygard! Hier ist jemand für dich!“, rief er mit rauer Stimme ins Innere des Etablissements.
„Ich komm ja schon!“, tönte eine ungehaltene Stimme je n seits des Vorhangs, gefolgt vom lauten Gelächter mehrerer Pers o nen. „Haltet euer Schandmaul oder ihr lernt mich kennen!“
Ein untersetzter Mann, mit langen grauen Haaren und einem un-gepflegten Bart, trat durch den schäbigen Sichtschutz und beäu g te Wolf interessiert. Der Glat z kopf flüsterte dem Älteren etwas ins Ohr, woraufhin dieser mit einem breiten Grinsen unzählige Lücken und alle r lei Edelmetalle in seinem Gebiss entblößte.
„Ihr sucht eine Frau?“, überrascht zog er eine seiner dichten Au-genbrauen nach oben, „na, dann seid ihr hier genau ric h tig!“ Er stieß dem Türsteher mit dem Ellenbogen in die Seite und beide begannen laut zu lachen.
Als sie bemerkten, dass der Fremde ihre Gelächter nicht teilte, verstummten beide abrupt. „So wie ihr drein schaut, kann ich euch mit meinen Mädchen nicht dienen!“, amüsierte sich Rygard, „Thorben hat mir gesagt ihr sucht die alte Galgenklause.“
Wolf nickte stumm.
„Nun ja! Die ist vor neun Jahren abgebrannt und das ganze Vie r tel fast mit. Unschöne Sache damals. Außer dem verrüc k ten Willay hat niemand den Brand überlebt und selbst der ist dem Reich der Toten näher, als dem der Lebenden. Er haust in einem kleinen Verschlag in der Nähe der Ruine. Wenn ihr eine Dirne aus der Galgenklause sucht, solltet ihr vielleicht ihn um Hilfe bitten!“ Wieder verfiel der Mann in schallendes Gelächter und klopfte sich beherzt auf die Schenkel.
Wolf drehte sich schweigend um und achtete nicht weiter auf die beiden Witzbolde, deren Gelächter noch eine Weile durch die Straßen schallte.
„Die Straße runter und dann immer dem vermoderten G e ruch nach!“, rief ihm einer der beiden noch hinterher, als er nachden k lich seinen Weg durch die dunklen Gassen fortset z te.
Ein seltsam gekleideter, älterer Mann kam ihm misstra u ischen Blickes entgegen und entzündete mit seiner, an einem langen Stab befestigten, windgeschützten Kerze einen kleinen ovalen Kelch, der an der Spitze einer übergroßen Metallstange befestigt war, von denen Dutzende die Straße auf beiden Seiten säumten. Mit einem zischenden Geräusch sprang die Flamme auf die gehei m nisvolle Flüssigkeit in dem Behältnis über und tauchte die Straße in ein wohliges Flackern, das die farblose Trostlosigkeit dieses Ortes in eine beinahe feierliche Stimmung wandelte. Wolf wusste von den Anzündern, die zu Hunderten jeden Abend durch die Straßen der Stadt liefen und mit ihren eigenartigen
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