An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
sich mürrisch quietschend ihrer Bestimmung, so wie sie es vor tausend Jahren schon einmal getan hatten. Das metallische Kreischen erfüllte die Höhle und fuhr jedem, der sich in Reichweite befand, durch Mark und Bein.
„Ein Schiff mit Rädern, getragen von Fabelwesen und stürm i schem Nordwind, mehrere hundert Ellen tief unter der Erde. Was soll ich dazu sagen!“, plärrte Adler gegen den ohrenbetä u benden Lärm und zuckte mit den Achseln, „da hat sich wohl jemand sehr viel Mühe gegeben, um unseren kleinen Freund hier wegzubri n gen, und der bekommt es noch nicht einmal mit!“
Schnell gewann der Weltensegler an Fahrt und raste, über den ehernen Pfad, erfasst von stetigen Erschütterungen, verursacht durch allerlei Gesteinsbrocken, die sich im Laufe der langen Zeit von der Decke gelöst und auf die alten Strecke gefallen waren. Unbarmherzig zermalmte das massive Räderwerk jedes Hindernis und bahnte sich seinen ungewissen Weg durch das schattenreiche Halbdunkel des ehrwürdigen Gewölbes, hell erleuchtet von den zig tausend Sternenkindern, die zu beiden Seiten der Gyntiver freudig umhertanzten.
Der harsche Fahrtwind nahm ihnen fast den Atem, betörte mit angenehmer Kühle ihre erschöpften Gemüter und brachte sie dazu, wenn auch nur für einen träumerischen Augenblick, sich in stiller Gelassenheit ihrem Schicksal zu ergeben.
Kapitel 9
Reise in die Unendlichkeit
I. Auf Leben und Tod
In unmittelbarer Nähe des einbrechenden Mauernabschnitts, der sich im einstigen Armeeviertel Elderwalls unaufhaltsam in den lose gewordenen Untergrund grub, hatte sich Borgos G e sandtschaft auf einem nahegelegen Gebäude in einer geschloss e nen Reihe formiert und wartete.
Gleich einem, dem kalten Hauch der anbrechenden Dämmerung widerstehenden, meisterhaft in Stein gehauenen Abbildes, boten sie der empfindlichen Kälte des nahenden Tages klaglos die Stirn, und ihre pechschwarzen Umhänge flatterten gespenstisch im scharfen Ostwind.
Die Borgonen, wie sie von manchen Söldnern und einfachen Soldaten ehrfürchtig hinter vorgehaltener Hand genannt wurden, waren eine mysteriöse Vereinigung innerhalb des Heeres, deren Existenz ein gut behütetes Geheimnis war und die sich unerklä r licherweise über Jahre der Kenntnis Muriels entzogen hatte. Selbst ihren allwissenden Schwestern blieben die Elitesoldaten des Generals verborgen und so manch einer munkelte von einem alten Zauber, der die zwölf Krieger schützend umgab, stark g e nug, um der machtvollen Hexe zu widerstehen.
Gut ein Jahrzehnt hatte der alte Heerführer die handverlesenen, jungen Männer weit ab von den Schlachtfeldern mit gnadenloser Härte ausgebildet und sie zu etwas geformt, von dem selbst e r fahrene Krieger respektvoll Abstand hielten.
Borgo hatte die geheimen Schriften der Druidas studiert und wusste die rätselhaften Voraussagen für seine Zwecke zu nutzen. Mit uralten, längst vergessenen Ritualen aus den altertümlichen Schriftrollen hatte er seine Absichten akribisch verschleiert, um so im Verborgenen auf seinen eigenen verschlungenen Pfaden zu wandeln.
Angespannt und düsteren Blickes warteten die jungen Männer nun, gleichbedeutend einem feierlichen Ritual, auf den einen Mo-ment, für den sie von dem erfahrenen Kriegsherrn auserwählt worden waren.
Mit dem speienden Atem eines mächtigen Geysirs aus Schutt und Asche versank der Rest des gewaltigen Walls in der Erde und verwehrte den Wartenden die atemberaubende Aussicht auf das ausufernde Flammenmeer der Sonne, mit dem sich der neue Tag ankündigte.
Aus dem verborgenen Schoß der Erde entstieg die geisterhafte Silhouette eines längst vergessenen Meeresbezwingers.
Umhüllt von dem Leuchten abertausender Sternenkinder durc h schnitt der stolze Bug der Gyntiver den dichten Nebel und preschte mit prachtvoll gehissten Segeln, getragen von einer un-sichtbaren Woge in die kühle, taubehangene Sphäre des erw a chenden Morgens hinaus.
Unbeeindruckt von der unglaublichen Erscheinung holte jeder der zwölf Borgonen eine schwere, eigentümlich geformte Ar m brust aus seinem Umhang hervor, die jeweils mit einem ung e wöhnlich massiven Geschoss versehen war, dessen mehrschne i dige Spitze, sowie der dicke Schaft zahlreiche, grobe Widerhaken aufwies.
Als die geübten Schützen anlegten, die Haltebolzen lösten und die gespannte Sehne den Anschlag der
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