An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
Katapulte zornig nach vorne schleuderte, stoben die schweren Pfeile mit einem unhei l vollen Pfeifen aus ihren stählernen Führungsrinnen und rissen fingerdicke Taue mit sich, die sich hektisch von surrenden Spulen abwickelten, verborgen unter den wallenden Gewändern der Bo r -gonen.
Mit ungebremster Gier bohrten sich die Geschosse in das Heck des sich schnell entfernenden Schiffes und fraßen sich tief in das alte Holz, bevor die Seilwindungen auf den Spulen der Borgonen aufgebraucht, die surrenden Stränge sich beden k lich spannten und jeder von ihnen mit einem gewaltigen Ruck von den Füßen gerissen wurde.
Ihre flatternden Umhänge fingen den rauen Fahrtwind, blähten sich kuppelförmig über ihnen auf und hoben sie schwerelos in die Lüfte, weit über die Trümmer der alten Stadtmauer hinaus.
Die Feierlichkeiten des siegreichen Heeres, mit reichlich Wein, Weib und Gesang, hatten bis zum Sonnenaufgang angeha l ten. Die beinahe exstatische Ausgelassenheit und der übermäßige A l koholgenuss zeigten nun ihre nachhaltige Wirkung. Die Musik war gedämpfter und das laute Johlen und Gelächter an den ze r störten Mauern Elderwalls war einem verhaltenen Gemurmel ge-wichen, gelegentlich übertönt von Unverbesserlichen.
Antes Borgo stand immer noch alleine auf seinem Aussicht s punkt und starrte ungerührt in die Ferne, dabei hielt er schützend seine Hand über die Augen, um nicht von den gleißenden Lich t strahlen geblendet zu werden.
Unbemerkt von seinen hohen Offizieren, die größtenteils selbst dem Geist des Weines verfallen waren, sahen außer General Bor-go nur die schweigsamen Nachtwachen das verdächtige Schau- s piel, das sich am anderen Ende der Stadt im blutroten Glanz der Morgensonne abspielte.
Mit einer unmissverständlichen Handbewegung befahl er ihnen Stillschweigen zu bewahren und nicht die friedlich entschlumme r ten Kameraden durch einen lautstarken Alarm aus ihrem rausc h vollen Schlaf zu reißen.
„Es hat begonnen!“, flüsterte Antes und ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als in der Ferne die zwölf schwarzen Windfänger in lautloser Eleganz weit über die bedro h lich, dunklen Staubwolken emporstiegen, bis sie im unerträgl i chen Flackern des stetig wandernden Himmelsfeuers verschwa n den.
„Wir werden euch jetzt verlassen!“, wispelte ein feines Stimm-chen in Galinas Ohr, die sogleich erschrocken herumwi r belte, „unsere Schuldigkeit ist getan und die Prophezeiung nun in euren Händen. Gebt acht auf den Knaben und fürchtet, was dem Kri s tall innewohnt!“ Bevor die Waldzwergin oder einer ihrer Begleiter etwas erwidern konnte, sauste das zierliche Wesen kichernd d a von. Kometengleich, mit einem langen glitzernden Schweif, der sich weithin sichtbar über den Himmel zog, schoss das Geschöpf in die Höhe, dicht gefolgt von einem gewaltigen, vielfarbig schim-mernden Schwarm seinesgleichen, der das Schiff die ganze Zeit in freudiger Aufregung begleitet hatte und den aufstrebe n den Glanz der Sonne nahezu erblassen ließ.
„Unglaublich!“, staunte Adler und rieb sich ungläubig das gesu n de Auge, bis sein Blick auf den zwölf Schatten haften blieb, die sie in luftiger Höhe zu verfolgen schienen.
„Wir haben Gesellschaft!“, plärrte er gegen den zunehmenden Fahrtwind, tippte auf Wolfs Schulter und wies ihm die Richtung. „Das sind Windfänger! Ich hab mal vor Jahren davon gehört, aber gesehen habe ich solche Dinger noch nie!“
„Borgonen!“, entgegnete Wolf trocken.
„Borgonen?“, Adler wirkte sichtlich überrascht, „das sind doch nur Geschichten! Der alte General würde es niemals wagen, M u riel derart zu hintergehen!“
„Wenn du meinst!“, Wolf grinste und packte seinen Freund fest an der Schulter, „egal, wer uns da beehrt. Ich glaube nicht, dass sie uns wohlgesonnen sind. Kommt!“
Entschlossen wandte er sich von Adler und Galina ab, bedeutete ihnen, ihm zu folgen, zog im Lauf das Schwert von seinem Rü-cken und rannte eilends über das bedenklich schwankende Schiffsdeck.
Die straffen Taue vibrierten mit einem sonoren Surren unter der Last, die sie gleichwohl klaglos ertrugen. Die Borgonen hatten die Winden an ihren Bauchgurten mit zwei stabilen Kurbeln ver-s e hen und begannen nun, unter großer Kraftanstrengung, Elle für Elle, den Abstand zwischen sich und der Gyntiver zu verri n gern. Die Einrastvorrichtungen der Winden quietschten und ächzten unter dem enormen Druck, während die Sperrbolzen unter dem
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