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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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… Arme. Keine Looser … außer vielleicht jemand wie du, Two Vocals, der Pech hat. Aber du wirst finden einen neuen Job, oder? Du bist groß und stark, kein Häuflein Elend wie Bonea.“
    „Ja, wenn ich erst wieder sehen kann …“, sagte Oi kläglich. Dieses Problem türmte sich wie ein unlösbares Knotenknäuel vor ihm auf.
    „He sei careful … obachtig!“, rief Bonea aus. „Du lässt die Hälfte vom Fraß auf Boden fallen.“
    „Oh, entschuldige“, murmelte Oi und wickelte die Pastete, aus der tatsächlich der Fleischsaft heraustropfte, in einen Zipfel seines Hemdes.
    Eine Weile lang sagte seine kleine Freundin aus dem Outland nichts mehr. Obwohl sie sich wirklich Mühe gab, langsam zu essen, keuchte sie dabei vor Anstrengung. Mit knurrender Gier riss sie dem Hünen die zweite Pastete aus der Hand und verzehrte sie zur Hälfte. „Rest wird eingepackt“, verkündete sie, und reines Glück schwang in jeder Silbe mit.
    Sie standen immer noch gut versteckt in dem Hauseingang. Hin und wieder warf Bonea einen spähenden, sichernden Blick auf die Straße. Ganz das scheue, wilde Tier, das sich von Gefahren umgeben weiß.
    „Sie ist schrecklich schön, Good City“, meinte sie. „God City würden meine Leute sie nennen, ganz bestimmt. Oder wie ich sagte, Paradise. Die Menschen sind reich wie Götter und leben im Paradies, denn alle haben zu essen …“
    „Seit etwa einem Jahr“, bestätigte Oi. „Die Treibgutzone wird saniert. Niemand muss mehr hungern oder im Müll wohnen.“
    Bonea hörte ihm zu, aber irgendetwas auf der Straße schien ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, und plötzlich sagte sie trocken: „Aber was ihr noch immer habt, ist das Big Black C.“
    „Das was?“
    „Crime, Two Vocals, Crime. Ich spreche von dem, was bei uns im Outland gang und gäbe ist und was du und ich auch hätten tun müssen, wenn nicht dieser Pastetenmann … Na, du verstehst schon. – Und siehe da, es gibt bei euch sogar Kids, die klauen.“ Bei diesen letzten Worten klang ihre Stimme geradezu triumphierend.
    „Wovon sprichst du nur?“, fragte Oi, aber im nächsten Moment hörte auch er das laute Geschrei: „Haltet den Dieb!“ „Haltet den Jungen auf!“ „Stehenbleiben, du mieser kleiner Langfinger!“
    „Beschreib mir, was du siehst“, bat der blinde Hüne, und Bonea tat ihm den Gefallen mit hörbarem Vergnügen.
    „Da rennt gerade ein kleiner Bengel die Straße lang … beladen mit allerlei stuff, ist flink wie eine Ratte und auch genau so angezogen … und er wird von Leuten verfolgt, die überhaupt nicht wie nette Harmony-Augenweltler aussehen …“ Sie unterbrach sich und trat ein paar Schritte vor, damit sie das Geschehen besser beobachten konnte. „Der ist echt schlau“, fuhr sie fort. „Grad sind ihm noch ein paar Leute entgegengekommen, um ihn abzufangen, da ist er einfach in eine Gasse gerannt und da in ein dunkles Loch gesprungen, von dem er vorher den Deckel weggeschoben hat. Nun stehen seine Verfolger da drum herum und machen ziemlich silly faces nein, dumme Gesichter. Schütteln wütend die Fäuste und so. – Aber keiner steigt ihm nach. – Jetzt zerstreuen sie sich.“ Bonea kam wieder zu Oi und packte ihn am Hemd. Heiser stieß sie hervor: „Doch wir … wir sollten ihm nach!“
    Ois wunderliches Gehirn war noch damit beschäftigt, wie schnell Bonea doch lernte … sie hatte wirklich nicht übertrieben. Schon jetzt fand sich in ihrer Sprache kaum noch eine Spur von dataslang. Er hatte einmal gehört, dass ständige Unterernährung gar nicht gut war für das Gehirn. – Dem kleinen Dieb nachklettern, in die Unterwelt hinab? Jetzt kam die Botschaft bei ihm an, und der Riese versteifte sich, als Bonea ihn mit sich ziehen wollte.
    „Warum?“, fragte er, obwohl er eigentlich „Nein!“ rufen wollte.
    „Sicher dunkel da unten“, erwiderte Bonea, „aber DAVOR brauchst du nun ja keine Angst zu haben. – Ich fühle, es ist richtig. Hör mir gut zu – hast du hier oben irgendwelche Freunde? Leute, die dir weiterhelfen könnten?“
    „Nein. Keine Freunde, bevor ich dich traf. Keine Freunde, seit meine Eltern tot sind. Es waren sehr liebe Eltern.“
    „Eltern“, wiederholte Bonea, und aus ihrem Mund klang das irgendwie fremd. „Oh, ich weiß – zwei Menschen, die eine Familie haben, nicht wahr? So ist das bei euch. Bei uns, verstehst du, ist das alles etwas anders. Ungenauer, könnte man sagen. Ich weiß wohl, welche Frau mich geworfen hat, aber sie hatte keine Milch, und so kam ich

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