An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
und diese wenigen waren billige Prostituierte mit verwüsteten Gesichtern.
Varian holte tief Luft. Die Frau hatte einen merkwürdigen, umnachtet anmutenden Ausdruck in den Augen … aber sie WAR es. er erkannte sie wieder – ohne jeden Zweifel. In eben dem Moment, als sich die anderen Gäste von ihrer Überraschung erholt hatten und sich ein paar vierschrötige Kerle dreckig grinsend auf die Fremde zubewegten, rief Varian laut: „Lara! Du bist es tatsächlich!“
Sie sah in seine Richtung, gab aber ihrerseits kein Zeichen des Wiedererkennens. Da war er schon bei ihr, und die anderen Typen wichen respektvoll zurück. Varian führte sie zur Theke und sie leistete keinen Widerstand; doch als er sie zu einem Barhocker lotste, entzog sie ihm ihren Arm.
Ihre blauen Augen, an die er sich noch so gut erinnerte, blieben umschattet, und dann sagte sie mit hohler Stimme: „Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht.“
„Nun hör mir mal zu, Lara!“, rief Varian. „Mir brauchst du nichts vorzumachen. Ich weiß genau, wer du bist …“
Er brach ab, denn ihre Augen wurden blitzartig hell. Sie funkelte ihn an, und dann sagte sie schneidend scharf: „Was fällt Ihnen ein, mich zu duzen?! Ich sagte doch bereits, dass Sie mir unbekannt sind. Und mein Name lautet Vivian Dulac, um das mal zu untermauern. NICHT Lara. Sie müssen mich mit jemandem verwechseln.“
Am Rande drang in Varians Wahrnehmung, wie der Barkeeper Hinz spöttisch lächelte und schläfrig den Kopf schüttelte. Varian begriff, dass er so nicht weiterkam; er spürte zwar mit jeder Faser seines Körpers, dass diese Frau Lara war … aber sie wusste es offenbar nicht. Oder sie war Laras Doppelgängerin, aber das glaubte er nicht. Nein, irgendetwas – oder irgendjemand! – hatte ihr Gedächtnis gelöscht und gegen ein anderes ausgetauscht. Und wer? Das ALIEN!, schoss es ihm durch den Kopf, ja, verdammt, so musste es gewesen sein. Das verfluchte Alien hatte also nicht nur ihm und seiner Casimiria etwas angetan … Varians Herz schlug schneller vor Spannung. Wie eigenartig, dass Lara hier auftauchte, kurz nachdem er an sie gedacht hatte! In der Zeit mit Casimiria – als sie noch lebte – hatte er über Omen, Vorzeichen und dergleichen (woran seine Casimiria ja felsenfest glaubte) immer nur seine Witze gemacht, doch auch das hatte sich geändert. Bei seinen verschiedenen gefährlichen Aufträgen hatten ihm seltsame Vorahnungen oftmals sehr geholfen, ihm sogar das Leben gerettet. Und eins spürte er jetzt ganz deutlich: Diese Begegnung hier musste etwas zu bedeuten haben!
„Will die Lady was trinken?“, knarrte Hinz und blickt dabei auffordernd zu Varian. Lara-Vivian reagierte nicht. Sie hatte auf dem Barhocker Platz genommen und strich sich den Rock ihres Kostüms zurecht.
Vor Varians geistigem Auge stand das Bild der amazonenhaften Lara von vor einem Jahr; bewaffnet, in einem knapp sitzenden Kampfanzug, ein Edelsteinband um den blonden Schopf gewunden. Ungeschminkt war sie damals gewesen, und er erinnerte sich noch an ihren Kuss …
„Geht auf mich“, sagte er zu Hinz, „und zwar …“ Was passte zu dieser „neuen“, veränderten Lara? „Die Lady nimmt ein Glas Champagner“, ergänzte er entschlossen.
„Champagner?“, echote Hinz, als hätte er das Wort noch nie gehört. „Hmm …“ Der Barkeeper wandte sich ab und begann in verschiedenen gammligen Schränken zu kramen. „Da ham wer nur die Witwe Klicko“, nuschelte er schließlich und hielt eine verstaubte Flasche empor.
„Nicht gekühlt, was?“, entgegnete Varian. „Du willst der Lady warmen Champagner servieren? Tu zumindest etwas gestoßenes Eis ins Glas.“
Hinz gehorchte, und Varian wandte sich wieder der geheimnisvollen Frau zu. Er betrachtete sie ausgiebig. Ihr hellrosa Lippenstift passte ausgezeichnet zu ihrem Teint; ihre Augen waren diskret betont, und nicht eine einzige Strähne wagte es, sich etwa widerspenstig aus der kunstvollen Frisur hervorzuringeln. An ihren wohlgeformten Ohren schaukelten filigrane Creolen aus Gold und Silber. Und ihre Sprache … sie war nicht nur einwandfrei, sondern hatte diesen typischen, aber schwer zu beschreibenden Business-Akzent, den Varian von seinen Auftraggebern kannte.
Ihr Gesicht war nach wie vor seltsam somnambul umschattet. Ausdrucksarm. – Der Geräuschpegel um sie herum kletterte wieder auf sein normales Niveau. Da der berüchtigte Varian eindeutig Beschützer dieses fremden Wesens war, hatte das Interesse aller anderen schlagartig
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