An den Springquellen
– und sein Gewerbe wieder neu anfangen. Sein Plan war riskant, der Erfolg hing von vielen Zufälligkeiten ab. Necrons ohnmächtige Wut richtete sich ebenso gegen Odam und den Yarl, der den Schrein vernichtet hatte, und auch Hrobon, dieser dringend gesuchte Luxon und jetzt der Besitzer der wandernden Augen, waren daran schuld, daß er sich hier wie ein Gefangener fühlen mußte.
»Nein. Es gibt keine Spuren. Weißt du etwas? Wir haben niemanden getroffen, den wir fragen konnten.«
Necron lehnte sich neben Hrobon an die Brüstung.
»Hier gibt es zu wenige Menschen, die wir fragen könnten«, sagte er und gab sich den wohlberechneten Anschein, als läge ihm viel daran, daß Luxon gefunden oder sein Schicksal aufgeklärt würde. »Aber an den springenden Quellen sammeln sich die Nomaden. Nicht nur diese – auch viele andere Bewohner dieses Landes treffen sich dort.«
»Springende Quellen?« wollte Hrobon wissen. Er zog die dichten schwarzen Brauen zusammen und starrte Necron tief in die Augen. »Was weißt du davon?«
Necron deutete geradeaus. Sein Arm wies nach Osten, und auch der Yarl lief in diese Richtung. Der Alleshändler erklärte:
»Ich sage dir, daß wir fast sicher sein können, dort bei den Springenden Quellen eine Spur von Luxon zu finden. Die Quellen sind der Ursprung des Flusses Largin, der die Grenze zwischen Horten und Weddon bildet. Zahllose bekannte und unbekannte Nomadenpfade führen zur Quelle und kreuzen sich dort. Ich weiß dies, es ist die Wahrheit. Wir sind an der Mauer der Alten Welt, und es ist nicht weit bis zu den Qualen der Aualen, wie sie auch oft genannt werden. Sprich mit Prinz Odam. Vielleicht lohnt sich ein Abstecher. Und wenn wir nichts erfahren, ist nicht viel verloren.«
»Ich glaube, deine Worte haben etwas für sich«, brummte Hrobon. Neue Hoffnung erfüllte ihn. Der Vorschlag des Alleshändlers versprach Erfolg, denn wo viele Menschen waren, gab es viele Neuigkeiten.
»Ich werde selbstverständlich meine geringen Fähigkeiten in den Dienst deiner Suche stellen«, versicherte Necron. »Geh und sprich mit Odam.«
Während sie miteinander sprachen, schrie hinter dem riesigen Körper des Yarls ein Orhako langgezogen und drängend. In den Tagen seit der Vernichtung des Schreines hatte er diesen Vogelschrei schon mehrmals gehört. Ab und zu hatten die Krieger auf dem Palastyarl andere Yarls getroffen, die plötzlich aus einem Wald oder hinter einem Hügel aufgetaucht waren. Die Nomaden des Herrschers der Dunkelwelt, von denen Necron auf seinen ausgedehnten Fahrten selten etwas gesehen hatte – hier schienen sie überall zu sein. Die Suche nach Luxon wurde also tatsächlich mit aller Macht durchgeführt. Deswegen war auch Hrobon so bereitwillig auf Necrons Vorschlag eingegangen.
Hrobon kletterte eine gewundene, schmale Treppe zu Odams Gemächern hinauf. Tatenlos wartete der Alleshändler und warf immer wieder lange Blicke auf die wuchtige Mauer zur linken Seite des riesigen Tieres, die immer wieder einmal hinter Baumgruppen, Felsen oder langgestreckten Hügeln verschwand. Sandhosen tanzten an den Tagen am Rand der Düsterzone hin und her wie Dämonen, die auf Erlösung warteten.
Dann kam der Heymal wieder die Treppe herunter und zog Necron mit sich zum vorderen Teil des Yarls.
»Wir treffen bald einen anderen Yarl, eine Patrouille«, sagte er und blieb neben dem Turm stehen, hinter dem eine schmale, aus Holz, Leder und Knochen bestehende Fallbrücke hochgezogen war. »Auf dieses Tier setzen wir über.«
»Zu den Quellen?« fragte Necron.
»Dorthin. Wenn du ein falsches Spiel treibst, wird sich für dich eine angemessene Strafe finden!« versicherte Hrobon.
»Würde ich genau wissen«, erwiderte Necron wahrheitsgemäß, »wo sich Luxon aufhält, würde ich euch dorthin führen. Selbst auf die Gefahr hin, daß er mich umzubringen versucht.«
»Es wird dich erstaunen«, brummte Hrobon, »aber ich glaube dir.«
»Ehrlichkeit ist die zweite Natur eines erfolgreichen Händlers«, erläuterte Necron. Der Heymal fragte ihn, was er über die Quellen wisse. Bereitwillig gab Necron preis, was er während seiner Fahrten erfahren hatte.
»Ich hörte eine uralte Legende. Einst entsprang der Fluß Largin irgendwo dort vorn im bergigen Land aus einer einfachen Quelle. Ein kleiner, tiefer Teich mit klarem Wasser bildete sich. Ein Krieger, der Recke Illannen kam, vermutlich aus dem Norden Gorgans, an diesen Tümpel. Nach einer harten Schlacht war er müde, von Wunden bedeckt und
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