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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Warum denken Sie, dass Sie es besser treffen sollte? Ja, ich weiß schon, weil Ihr Herr Vater Ihnen vermittelt hat, Sie seien etwas Besonderes. Das sind Sie ja auch, ich will’s mal zugeben. Aber nicht in dieser Hinsicht.» Für Frau Wellhorns Verhältnisse klang es erstaunlich sachlich und beinahe verständnisvoll. «Herr Götz hält an Ihnen fest, obwohl Sie ihn dauernd vor den Kopf stoßen. Welcher Mann würde so um seine Frau kämpfen?»
    «Kämpfen?» Mit verborgenen Eisennägeln unter den Handschuhen, so, wie er es getan hatte?
    «Duellieren», bestätigte Lucila. Ihre Augen flackerten leidenschaftlich, wie angesteckt vom Anblick der einreitenden Armee.
    Janna schnaubte. Er hätte Arturo nicht für satisfaktionsfähig gehalten, weil er in seinen Augen nur ein heruntergekommener Halunke war. Doch da irrte er sich. Reinmar selbst war es, der nicht satisfaktionsfähig war. Er versuchte sich Ehre auf den Leib zu schneidern. Nur in sich, da hatte er sie nicht.
    «Welche Frau kündigt die Hochzeit auf, nur weil sie den Auserwählten nicht liebt?», versuchte sich Frau Wellhorn an einem anderen Argument. O ja, solche hatte sich Janna selbst oft einzuprügeln versucht: Welche Frau kündigte die Hochzeit auf, nur weil sie an die Liebe glaubte? Seit wann musste man für die Ehe lieben? War irgendeine der Europäerinnen, die zuvor ihren Fuß in ein fremdes Land gesetzt hatten, so fahrlässig wie sie?
    Sogleich kam von der Anstandsdame wieder das altvertraute Stöhnen und Klagen. «Mir tun von dem Gewicht schon die Arme weh. Da drüben, das sieht mir ganz nach einer Mietkutsche aus!» Und schon hastete sie mit ihrem Köfferchen und zwei Taschen über den Schultern zu einer Droschke, aus der soeben ein Pärchen ausgestiegen war und dem Kutscher Geld in die Hand gedrückt hatte. Sie stellte ihre Sachen ab und begann auf Spanisch zu radebrechen, was dem Mann nur ein fragendes Schulterzucken entlockte. Lucila und David wirkten unruhig wie junge Hunde, die nur darauf warteten, dass sie von der Leine durften. Janna seufzte. Es sah ganz danach aus, als sei sie überstimmt.
    Ich kann ihn nicht heiraten. Gott, steh mir bei, ich kann nicht .
    Aber ihr blieb keine andere Wahl, als erst einmal nach La Jirara zu gehen, bis sich eine andere Lösung fand.
    Mañana.
    Ein Wutschrei wollte aus ihrer Kehle, und sie flehte um Contenance. Was für eine Niederlage! «Also los, ihr beiden, bevor ich es mir anders überlege.» Was sie nicht konnte. Sie packte ihre Staffelei und ihren Koffer fester und marschierte auf die Kutsche zu.

2. Kapitel
    «Warum lassen Sie die Fahne nicht hängen, Doña Janna? Wir haben doch jetzt die Republik.»
    «Ach, Unsinn. Nur weil Bolívar Angostura erobert hat, haben wir die Republik noch lange nicht. Und zu Zeiten der Monarchie hing hier ja auch keine spanische Flagge. Schon gar keine so große; sie erschreckt die Vögel. Gib mir das Messer.»
    Lucila händigte ihr ein rostiges Brotmesser aus. Janna ging auf der Galerie in die Knie und säbelte an den Schnüren herum, an denen die Fahne bis fast hinunter zum Patio hing. Misstrauisch beäugten die drei Sonnensittiche, was sie tat. Sie wunderte sich, dass die Tierchen wohlauf und noch in ihrer Schilfrohrvoliere waren, die sogar an derselben gewohnten Stelle auf einem gusseisernen Ständer im Schatten der Kolonnaden stand. Ansonsten war die Hazienda kaum wiederzuerkennen; die Rebellentruppen hatten hier wie die Vandalen gehaust. So viel Unordnung, so viel Unrat und Schmutz hatte Janna selbst in den Straßen der Stadt nicht oft erblickt. Im steinernen Teich schwammen ein irgendwo heruntergerissener Fadenvorhang und blutige Verbände in einer rotbraunen Brühe. Die weiß lackierten Korbmöbel sahen aus, als hätten sich Soldaten über Jahrhunderte hinweg darauf gelümmelt. Der wunderschöne Amarant war zerrupft und verblüht, und die Manioksträucher und die Bananenstaude waren zerhackt worden – aus Langeweile oder purer Lust am Zerstören. Oder aus hilfloser Wut, wie sie es Arturo einmal hatte tun sehen in der Plantage des Missionsdorfes. Die drei unversehrten und sogar gut im Futter stehenden Vögel wirkten wie kleine, gelbfleckige Wunder. Offenbar war unter den Soldaten ein fürsorglicher Tierfreund gewesen.
    Die venezolanische Flagge fiel. Janna raffte ihr Kleid, winkte Lucila, mit ihr zu kommen, und marschierte ins Haus. Das Zimmer, durch das sie kam, war früher ihr Schlafzimmer gewesen. Jetzt stand es leer. Sie lief die Treppe hinunter in die Eingangshalle.

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