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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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unumgänglich. Jedes einzelne habe ich in Kauf genommen.»
    Also war es wahr: Don Felipe de Uriarte hatte nur noch die offizielle Kapitulation de la Torres abgewartet und sich umgebracht. Ein Akt unsäglichen Stolzes? Oder Zeichen von Feigheit? Immerhin ließ er eine Familie und eine ganze Stadt zurück.
    «Ich bete, dass irgendeiner Sie aufhält.» Voller Inbrunst betonte die Marquesa jedes Wort. Mit dem freien Arm klammerte sie sich an Janna.
    «Kommen Sie, Doña Begoña», sagte Janna. «Ich bringe Sie zurück.» Wie war sie überhaupt hergekommen? Doch nicht etwa zu Fuß und allein? Unweit entdeckte Janna eine Sänfte mit vier wartenden Trägern in der roten Livree des Uriarte-Hauses, und von einer Messingspitze über dem Baldachin hing eine schmale Fahne in den Farben Spaniens und darunter das Familienwappen.
    «Sie sind Deutsche?», fragte Bolívar.
    Janna wandte sich zu ihm um.
    «Ihr Haar, Señora», erklärte er. «Und Ihr Akzent. Der ist mir wohlvertraut, denn ich habe schon einige Deutsche in meinem Leben kennengelernt. Was tun Sie hier?»
    «Ich lebe hier.» Eine dünne Antwort, die ungewollt ruppig klang, denn er hob fragend eine Braue. «Mein Verlobter und ich sind eingewandert, um Pferde zu züchten. Er heißt Reinmar Götz …»
    «Ein Pferdezüchter?» Beiläufig strich er seinem Atlasschimmel über den Hals. Janna meinte sich zu erinnern, dass von ihm gesagt wurde, er sei ein Pferdenarr. «Und wie ist Ihr Name, werte Dame?»
    «Janna Sievers.»
    Erstmals zeigte sich ein Lächeln auf diesen strengen Zügen. Es ließ erahnen, weshalb er Schlag bei den Frauen hatte. «Also kenne ich jetzt zwei Deutsche persönlich, die schon einmal ihren Fuß auf unser schönes Land gesetzt haben.»
    «Ja, Señor Götz ist …» Sie stockte. Persönlich? Er kannte Reinmar ja gar nicht. «Wen meinen Sie?»
    «Alexander von Humboldt.»
    «Oh, natürlich.» Wie konnte sie auch so dumm fragen? «Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.»
    Sie kehrte ihm den Rücken zu, um die Marquesa zu ihrer Sänfte zu bringen. Doch dann kam ihr ein Gedanke. Sie blickte über die Schulter, sah noch den pikierten Ausdruck auf seinen feinen Zügen. «Señor Bolívar …»
    «Exzellenz!», zischte ihr irgendein Kerl in Husarenuniform zu. Bolívar gebot ihm mit einer Handbewegung, den Mund zu halten.
    «Ihre Truppen haben das Gut meines Verlobten besetzt. So viel ich weiß, wurde dort ein Lazarett eingerichtet. Ich nehme an, dass es bald nicht mehr gebraucht wird. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihm La Jirara wieder zurückgeben würden.»
    Ihm – nicht uns . Sie hatte es nicht über die Lippen gebracht. Für sie gab es dort keine Zukunft mehr. Aber den Gefallen, diese Gelegenheit zu nutzen, damit es wieder in seine Hände fiel, wollte sie ihm tun.
    Simón Bolívar nickte. «Gewährt.»
    So viel zu der von Reinmar heraufbeschworenen Gefahr , dachte sie befriedigt. «Ich danke Ihnen – Exzellenz.»
    ***
    Doña Begoña umarmte Janna so stürmisch, wie sie sie anfangs begrüßt hatte. «Leben Sie wohl, Doña Janna. Sie haben meinem Heim einen feinen Glanz verliehen, der jetzt leider verblassen muss. Sollten Sie und Ihr Zukünftiger je nach Caracas kommen – ich wäre zutiefst gekränkt, kämen Sie mich nicht besuchen. Gott behüte Sie.»
    Janna wurde in eine Wolke schweren Pariser Parfüms getaucht, dann in die Nässe dicker Lippen. Schließlich wandte sich die Marquesa dem Schlag des geschlossenen Landauers zu und ließ sich von einem Bediensteten hineinhelfen. Die Kutsche ächzte, als sie sich in den Polstern niederließ. Ihre Söhne und Töchter saßen ordentlich nach dem Alter aufgereiht. Sie alle wirkten müde, die kleinen Gesichter steif und ernst. Nur Verónica, die der Mutter gegenüber am Fenster saß, versuchte sich an einem Lächeln. Es geriet schwach. Sie wirkte noch spitzmäusiger als sonst und zugleich viel zu alt. Unter dem südamerikanischen Teint lag gräuliche Blässe. Als die Kutsche anfuhr, hob sie die Hand zu einem matten Winken. Janna traten die Tränen in die Augen. Sie rannte noch einmal zu dem Gefährt und ergriff Verónicas Hand.
    «Ich schreibe dir.»
    «Ich Ihnen auch.»
    Janna ließ los und wartete, bis der Landauer und drei weitere Kutschen mitsamt dem Gepäck und der Entourage um die nächste Straßenbiegung verschwanden. Am Hafen würde eine Fähre die Familie über den Fluss bringen, und dann würde es über Land hinauf nach Nueva Barcelona und von dort mit dem Schiff nach Caracas

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