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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Schönheit …
    «Sie waren in unserem Haus!», erkannte Janna. «Sie sind eine Einbrecherin und …»
    «Diebin?» Hochmütig strich sich die Frau eine gelöste Strähne aus der Stirn und musterte Janna aus schwarzen Glutaugen. Erkennen blitzte darin auf. «Ich habe doch nur einen Beutel mit ein paar Streifen Tasajo gestohlen. Sonst war ja nichts da.»
    «Unerhört! Sie können doch nicht …» Weiter kam Janna nicht, denn Entrerríos verpasste der Frau eine so deftige Ohrfeige, dass ihr Kopf zur Seite flog. Der Blick, den sie daraufhin versprühte, war zwar reines Feuer, doch sonderlich beschämt wirkte sie nicht.
    «Wage das nicht noch einmal, Romina.»
    «Pfff. Ich war unterwegs und hatte Hunger.»
    «Und deshalb brichst du irgendwo ein?»
    Er marschierte weiter, und sie schloss sich ihm an. «Ich wusste, dass es die Leute waren, für die du gearbeitet hattest. Der catire , der Geck, der sich den Mantuanos andient. Ich habe ihn ja gesehen, als er von Rodriguez Pferde gekauft hat. Von Gäulen versteht er etwas, aber zum Handeln sind diese Europäer alle zu blöd.»
    Die Llanera warf Janna einen weiteren verächtlichen Blick zu. Janna missfiel es, hinter diesen beiden Menschen herstolpern zu müssen. Aber noch einmal allein durch die Nacht? Ohne ihr Maultier hatte sie gar keine andere Wahl, und nun musste sie halt für ihren Leichtsinn büßen. Sie bereute den Ausflug jedoch nicht; er war aufregend gewesen und hatte sie von den Sorgen abgelenkt. Sie bemühte sich, Schritt zu halten. Leicht war es nicht – in der Eile hatte sie nicht überlegt, was die bessere Wahl war, und nach dem zarten neuen Empirekleid gegriffen, das für undamenhaftes Laufen zu eng geschnitten war. Fast wäre sie gestrauchelt, als sie in ein Straßenloch stolperte, das unter dem dreckigen Wasser verborgen war. Nach diesem Ausflug dürften ihre Stiefeletten ruiniert sein.
    Allmählich schmerzte ihr Rücken. Daran war nur das Tragen des Korsetts schuld, und nun, da sie es in der Eile nicht hatte anlegen können, fehlte es ihren schlaffen Muskeln. Sie tastete zwischen ihren hüpfenden Brüsten nach ihrem Taschentuch. Aber sie hatte es ja nicht einstecken können. In ihrem Réticule fand sich auch nichts. So musste sie die Hand vor die Nase drücken, denn inzwischen stank es fürchterlich. Verkaufsstände reihten sich an der Kaimauer aneinander. Silbrig glänzende Sapoarafische lagen in dicken Stapeln, und in Töpfen brodelte Fischsuppe. Unter Rominas Poncho schaute plötzlich eine Flosse heraus. Entrerríos bemerkte, dass sie lange Finger gemacht hatte – und es setzte eine weitere Ohrfeige. Diesmal jedoch fiel sie etwas sanfter aus, und er lachte nachsichtig.
    Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war unverkennbar. Entrerríos war um einiges älter als Romina, doch nicht alt genug, um ihr Vater zu sein. Vor einer gutbesuchten Arepera machten sie halt. Er pfiff einen indianischen Jungen herbei, der in einen Schuppen rannte und zwei Pferde herausführte. Entrerríos warf ihm eine Münze zu und schwang sich auf seinen Criollohengst, Romina auf die kleinere Stute. Ganz offensichtlich war Jannas Platz hinter der Frau.
    «Worauf wartest du?», fragte Romina.
    Ziege! Vergebens sah sich Janna nach einer Aufstiegsmöglichkeit um. Der Indio kam ihr mit einer Räuberleiter zu Hilfe. Dass ihre gespreizten Beine den Kleidsaum bis auf die Oberschenkel zwangen, daran durfte sie jetzt nicht denken. Kaum hatte sie die Arme um Rominas Taille gelegt, gab diese dem Pferd auch schon die Sporen. Rücksichtslos trieben die beiden Llaneros ihre Tiere durch die Menge. In Jannas Gesicht schlug der geölte Zopf, der streng roch. Was sie notgedrungen umarmte, war eine schmale Gestalt voller Kraft.

    La Jirara lag in tiefster Dunkelheit, bis auf ein einsames, von dem Argandbrenner erhelltes Viereck im oberen Stockwerk. Mitternacht musste längst vorüber sein. Entrerríos und Romina zügelten ihre Pferde vor dem Tor. Janna befürchtete, gleich Reinmars Schatten am Fenster auftauchen zu sehen. Kaum stand Rominas Stute, rutschte sie hinunter. «Vielen Dank», sagte sie schnell zu Entrerríos. «Ab hier komme ich allein zurecht.»
    «Wie Sie meinen.» Er hob die Finger an den Hut und wendete sein Pferd auf der Hinterhand. Janna gab der Llanera keine Gelegenheit für einen spöttischen Abschiedsblick; sie kehrte ihr den Rücken zu und marschierte um die Schutthaufen herum auf das Haus zu. Das Hufgetrappel draußen verklang, und als sie sich allein wusste, hockte sie sich

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