Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
Vom Netzwerk:
erwiderte Janna freundlich.
    Sie ließ es zu, dass er sie herunterhob. Dann führte er sie mitten unter die Leute. Una catira! , ging augenblicklich ein Raunen durch die Reihen. Er platzierte sie auf einem umgestürzten Baumstamm. In angemessenem Abstand hockte er sich neben sie und erklärte der Runde knapp, wer sie war und dass sie bald wieder fort sein würde.
    «Eine Deutsche?», sprach ein alter Mann sie an. Seine Haut schien von einer Echse zu stammen, so faltig war sie unter der Sonne geworden. Seine Zähne jedoch waren überraschend gut, was die Frage aufwarf, ob er wirklich schon ein Greis war. «Ich habe mal einen Deutschen getroffen, mitten in der Wildnis.»
    Dankend nickte Janna Romina zu, die ihr einen Fleischspieß reichte. «Ich glaube, ich ahne, wen Sie meinen.»
    «Ach ja?» Der Ledrige kicherte. «Er war ein Schneider und nannte sich Zimmermann. Oder war’s umgekehrt? War ein ziemlich unangenehmer Kerl, wollte mit einem Trupp Sklaven Diamanten suchen. So viel ich weiß, endete er mit dem Gesicht voraus im Uferschlick.»
    «Oh. Nein, den kenne ich nicht.»
    Die Männer lachten und schlugen sich auf die in ledernen Beinkleidern steckenden Schenkel. Janna erfuhr, dass sie alle von Cimarrónes abstammten. Auf einige waren Kopfgelder ausgesetzt. Es erschien ihr schwer vorstellbar, unter Verbrechern und Mördern zu sitzen. Andererseits auch nicht; schließlich hatte sie mit einem solchen Mann Monate zugebracht … Sie hörte, dass die Llaneros planten, morgen die Zelte abzubrechen und weiterzuziehen. Diese Männer hatten im Krieg gekämpft; nun wollten sie sich zerstreuen. Manche wollten in ihre angestammten Weidegebiete, manche zurück auf die Haziendas, auf denen sie früher gearbeitet hatten. Die meisten jedoch bekräftigten mit einem Schluck eines vergorenen Getränks, das sauer roch, dass sie weiterhin für Bolívar kämpfen wollten. Ein Hochruf auf die independencia . Ein Fluch auf die Mantuanos. Bekräftigendes Gelächter. Jemand ergriff eine kleine Gitarre; ein anderer schlug eine hölzerne Rassel in die Handfläche, und plötzlich war die Luft von rauen Klängen erfüllt.
    Entrerríos brachte Janna einen weiteren Pferdefleischspieß, dazu einen ledernen Becher mit Stutenmilch, deren Geschmack unangenehm war. Er wechselte ein paar Worte mit seiner Schwester, wobei er zur tiefstehenden Sonne deutete. So spät schon? Janna wusste, dass es Zeit für den Rückzug war, wollte sie noch im Hellen zurück. Aber ihr war es so viel lieber, hier zu sitzen statt auf den Stufen der Veranda.
    Morgen , dachte sie. Morgen würde sie ihre Koffer packen und es noch einmal bei Doctor Cañellas versuchen. Vielleicht fände sie mit seiner Hilfe auch ein Logis und eine Anstellung bei einer Familie mit gutem Ruf. Doch an diesem Abend legten sich die Gedanken nicht wie sonst wie eine Steinplatte auf ihre Brust. Hier in der Abgeschiedenheit, bei diesen wilden Leuten, erschien ihr das alles fern, als gehöre es nicht zu ihrem Leben. Das laute Surren, Knistern und Atmen der Natur ringsum, das war ihr viel vertrauter.
    Romina stapfte auf sie zu und deutete auf das kleinste der Zelte. «Das ist meins. Falls eine Nacht in der Wildnis die feine Dame nicht abschreckt, kannst du darin schlafen.»
    Wenn du wüsstest, wie viele solche Nächte ich hinter mir habe , dachte Janna beinahe vergnügt.
    Die Llanera schnappte sich einen der Männer, einen jungen Burschen, der recht schüchtern wirkte, und begann zu tanzen. Sofort stieg die Stimmung. Die Männer sangen vom ‹großen grünen Meer›, dem riesigen Llanos jenseits des Flusses im Westen. Sie sangen von Kämpfen gegen die weiße Oberschicht und von den Brandzeichen, mit denen sich die gierigen Mantuanos zu Eigentümern der wilden Herden machten.
    Ein Mann tauchte vor Janna auf und bot ihr die Hand. «Willst du nicht auch tanzen, Mädchen?» Entrerríos gab ihm mit einem Knurren zu verstehen, dass er verschwinden solle. «Dann her mit der negrita !», johlte er und wankte mit gekrümmten Beinen, die ein Leben im Sattel verrieten, auf eines der Zelte zu.
    Verblüfft sah Janna keine andere als Lucila an seiner Hand herausstolpern.
    «Señor Entrerríos, wie kommt sie her?» Bevor er antworten konnte, sprang sie auf, eilte mit gerafftem Kleid zu der Dienstmagd und hielt sie an der Schulter auf. «Lucila! Du entwickelst in letzter Zeit das Talent, wie ein Kastenteufel überall aufzutauchen. Aber wie kommst du ausgerechnet hierher?»
    Lucila rüttelte sich von dem Mann frei, der

Weitere Kostenlose Bücher