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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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herumlief, statt wie früher zu zetern, gefiel ihm durchaus nicht. Insgeheim hatte sie Janna aufgegeben. Er sagte sich, dass es vernünftig war. Aber er sah keinen Grund, es ebenso zu halten.
    ***
    Tabakrauch drang in ihre Kehle und ließ sie husten. Eine kupferhäutige Gestalt hatte sich über sie gebeugt. Im lächelnden Mund steckte eine lange Pfeife. Schnüre hingen dem Mann aus den Nasenlöchern und endeten an den Ohren. Seine Züge waren so glatt wie die einer Frau. Er stimmte einen Singsang an, und mit jedem Ton geriet Rauch in Jannas Gesicht. Sie konnte sich nicht abwenden. Ihr Körper war eine formlose Masse aus Schmerzen, Hitze, Kälte und Übelkeit. Eine Frau hockte sich an seine Seite und reichte ihm eine Schale. Er griff hinein. An seinem Finger klebte eine grünliche, entsetzlich stinkende Paste. Allen Ernstes wollte er sie Janna auf die Lippen schmieren. Mit aller Willensanstrengung gelang es ihr, eine Hand zu heben. Doch statt dem Mann mit einer Geste klarzumachen, dass er verschwinden solle, sackte ihre Hand schwer auf die Brust. Sie ertastete schweißfeuchte Haut. Das Entsetzen, dass man sie ausgezogen hatte, dass sie offensichtlich krank, hilflos und nackt unter Wilden war, ließ die Hitze wieder aufwallen.
    Schlimmer noch: Er kauerte an ihrer anderen Seite. Der Drachenherr.
    Um sich sah sie weitere Gestalten, Frauen wie Männer. Sie alle sangen und tanzten in langsamen, wiegenden Schritten. Der Drachenherr bewegte sich nicht. Sein Blick ruhte auf ihr. Besorgt. Ja, besorgt. Nicht diese seltsamen Gestalten waren der Beweis, dass sie träumte. Sondern dieser Blick. Niemals würde er sie in Wirklichkeit so ansehen.

    Janna fand sich in einer Hängematte wieder, über sich ein breites Dach aus Palmenblättern. Um sie war nur Wildnis – ein schmaler Wasserlauf, lianenumschlungene Bäume. Vögel trillerten und schrien manchmal mit markanten Lauten. Auch unter dem Dach brummte und summte es. Eidechsen huschten an den Stützbalken hinauf, um nach Mücken und Spinnen zu schnappen. Auch das plätschernde Wasser verriet Leben. Und doch erschien ihr das alles wie Stille. Sie war allein.
    Darüber war sie froh. Und doch auch nicht. Hatte sie wirklich nur geträumt, dass Indianer um sie gewesen waren? Sie fasste sich an die Brust. Nein, sie war nicht nackt. Doch ihr Empirekleid saß viel zu locker – es war im Rücken aufgeschnürt. Gott im Himmel! Ruckartig setzte sie sich auf.
    Sofort begann ihr Kopf heftig zu pochen. Sie kämpfte sich von der Hängematte herunter und landete auf den Knien auf einer schwimmenden Holzplattform. Das Kleid drohte an ihr hinunterzurutschen. Die Versuche, es im Rücken zu schnüren, scheiterten kläglich.
    Der Boden schwankte unter schweren Schritten. Arturo kam auf sie zu.
    «Was ist passiert?» Sie hielt den Stoff mit gekreuzten Armen auf den Schultern fest. «Warum bin ich nicht in Angostura?»
    «Du hattest Fieber.»
    «Fieber? Ein Tropenfieber? O Gott.»
    «Dank der Micayo hast du es gut überstanden. Sie haben dir Medizin aus der Galle eines Nagetiers verabreicht. Und dich mit Tabakrauch eingenebelt, um dir den Fiebergeist auszutreiben.»
    Fassungslos starrte sie zu ihm hoch. Ein Fiebergeist! Glaubte er etwa an solche Spökenkiekerei? Von der Galle konnte sie sich wenigstens vorstellen, dass sie geholfen hatte. Wenngleich es scheußlich klang. «Micayo, so hießen diese Leute? Wo sind sie hin? Ich würde mich gerne bedanken.»
    Er schüttelte den Kopf. «Sie werden erst wiederkommen, wenn wir fort sind. Dann werden sie hier alles verbrennen, weil sie glauben, dass der Geist irgendwo hier zwischen den Ritzen sitzt.»
    Was es nicht alles gab!
    «Aber weshalb haben Sie mich nicht nach Angostura gebracht?»
    «Wie hätte ich es tun sollen?», knurrte er. «Du warst nicht imstande, mir zu sagen, wohin ich dich hätte bringen müssen. Oder wärst du damit zufrieden gewesen, dass ich dich bewusstlos am Kai ablege?»
    Was war denn das für ein Unsinn? «Sie hätten mich zu einem Arzt bringen können. Notfalls in eine Kirche.»
    Er ging vor ihr in die Hocke. Seine schwarzen Augen schienen ihr Innerstes nach außen zu kehren. «Mädchen», er stieß ihr den Finger vor die Brust. Es tat weh! Leider konnte sie ihm nicht ins Gesicht hauen, da sie keine Hand frei hatte. «In Angostura wärst du möglicherweise gestorben. Die reichen Criollos dort mögen die herrschende Kaste sein, wie überall in den Städten, aber auf das Behandeln von Krankheiten verstehen sich ihre Ärzte längst

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