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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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erzählt, als Frater Tomé Ihnen die Zecken aus den Händen entfernte. Aber das ist ja verständlich, dass Sie damals nicht zugehört haben. Bonpland plagte ein Fieber, weswegen er und Humboldt schnellstmöglich nach Angostura wollten. Sie waren unruhig, weil tagelanger Regen, vielmehr Wolkenbrüche, den Aufbruch verzögerten. Dann fielen Ameisen über das Dorf her, und es musste sehr schnell gehen. Einige Hütten zerfielen; alles war voller Schlamm, und eine ihrer Kisten versank fast darin. Es war die mit dem Schmuckstück. Ich dachte ja, Humboldt käme deshalb wieder, aber wahrscheinlich hatte er andere Sorgen. Und das Papier … das fand Frater José Maria später mit noch ein paar anderen in der Bibliothek. Humboldt hatte es wohl vergessen. Vielleicht war es auch nur eine Grobschrift. Ich selbst habe im Lauf der Jahre vergessen, dass es existiert; ich wusste nicht einmal, dass Frater José Maria es in der Truhe verwahrt hatte.»
    «Aber Sie haben die ganze Zeit geahnt, dass wir wegen des Schatzes hier sind.»
    «Von allen Gründen, die mir so durch den Kopf gingen, war dies der wahrscheinlichste.» Sein Lächeln war entwaffnend.
    «Und Sie wissen auch, was wir jetzt vorhaben?»
    «Zumindest habe ich einen Verdacht.»
    «Es gibt sonst kein Gold, nicht wahr?»
    «Nein. So berichtete Humboldt mir. Das war das einzige, was er in der Höhle fand, verborgen in einem der Tonkrüge. Was mit dem anderen Gold geschah, weiß ich nicht. Vielleicht hatte ein Glückssucher die Höhle zuvor entdeckt. Vielleicht hat es aber auch nie existiert.»
    «Nun habe ich noch eine letzte Frage, die Sie sicher auch schon vorausahnen.»
    Frater Sebastián schob einen Finger unter die Augenklappe und rieb sich das versehrte Auge. «Lassen Sie mich überlegen … Warum ich Ihnen das Gold gebe, ja? Das war durchaus keine leichte Entscheidung. Der Schmuck lag die ganzen Jahre im hintersten Winkel meines Schreibtisches. Erst als ich mir so meine Gedanken über Sie und Arturo machte, habe ich ihn wieder hervorgekramt. Und ich habe mich gefragt, wo denn der Sinn darin bestünde, ihn noch länger nutzlos zu verwahren. Andererseits fragte ich mich, soll ich die Jagd nach dem Mammon wirklich unterstützen? Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles, wie ein deutscher Dichter so schön sagt. Aber es erschien mir auch wie ein Fingerzeig Gottes, dass ausgerechnet eine Landsmännin Humboldts hier auftaucht. Also … ja. So war es. Nun stecken Sie es schon ein. Ob Sie es behalten, Humboldt hinterherschicken, Ihrem Begleiter geben oder in den Fluss werfen – das bleibt Ihnen überlassen.»
    «Danke», sagte sie. «Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll …» Dass er sie anfangs an einen gewitzten Piraten erinnert und nun diesen Eindruck bestätigt hatte, konnte sie schlecht sagen. «Humboldts Notiz …», begann sie. Die brauchte sie nun nicht mehr.
    «Behalten Sie sie.» Er schritt an ihr vorbei in Richtung der Schiffslände.
    Vorsichtig, als sei das Gold zerbrechlich, betastete sie den Schmuck. Er sah nicht alt aus; er glänzte wie von einer fleißigen Hand poliert, und nur bei näherem Hinsehen konnte man feine Kratzer und Druckstellen erkennen. All die Ecken und Kanten und das fratzenartige Gesicht waren für ein europäisches Auge recht gewöhnungsbedürftig – und dennoch wunderschön.
    Verrückt , dachte sie. Das ganze Abenteuer hat mich eine Halskette gekostet, nur um am Schluss eine andere Halskette in den Händen zu halten.
    Janna drehte sich um. Wo war Arturo? Sie sah ihn vor der Kirche hin und her schlendern, die Arme nach wie vor verschränkt, den Blick zu Boden geheftet und Pizarro auf der Schulter.
    «Arturo!» Sie rannte auf ihn zu. Seine Arme sanken, und er hob den Kopf. «Hier», sie drückte ihm das Gold in die Hand. Bevor er etwas sagen oder sie es sich anders überlegen konnte, machte sie kehrt und lief hinunter zur Bootslände.
    ***
    Feierlich überreichte Oyomaco ihr ein Tontöpfchen. «Für wenn du Fest icaya’ti immer ope ist.» Sein Kauderwelsch aus Spanisch und der Sprache seines Stammes war ihr inzwischen vertraut genug, um zumindest eine Ahnung davon zu haben, wofür dieses Geschenk gedacht war. Sie bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln. Was wohl die Damen und Herren in Angostura sagen würden, erschiene sie auf einer Festlichkeit mit roten Kreisen und Strichen im Gesicht und auf dem Dekolleté?
    Von den Frauen bekam sie noch einen Korb mit all dem, was sie am liebsten gegessen hatte: geröstete Maiskuchen

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