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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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fügte sie hinzu, um sich nicht gar so schäbig zu fühlen. «Im Übrigen weiß ich von ihm nichts weiter zu erzählen, als dass er lauter kleine Zöpfe trug und sein Kaffee furchtbar war. Und er war nicht gerade jemand, der gern einen Klönschnack gehalten hat.» Ihr Lachen kam ihr gekünstelt vor. Sie griff nach ihrer Tasse, um ihre nervösen Finger zu beschäftigen.
    «Zöpfe? Wie altmodisch», murmelte Reinmar. Nachdenklich rieb er sich das markante Kinn. Dann beugte er sich über den Tisch und ergriff ihre Hand. «Du hast Schlimmes durchgemacht. Aber das nächste Weihnachtsfest kommt bestimmt, und es wird dich für alle Verluste entschädigen.»
    Sie musste zurückdenken an die Weihnachtsnacht tief im Bauch des Schiffes, als ihr wie ein Abenteuer vorgekommen war, dort von ihm geküsst zu werden. Aber es hatte sich dann ja herausgestellt, dass es weiß Gott keines gewesen war. Wie sich Reinmar wohl an Arturos Statt ausgemacht hätte? Hätte er die Angreifer im Delta mit seinem albernen Degen besiegt? Hätte er sich eine Nacht gegen die Strömung des Orinoco stemmen können, mit ihr in den Armen? Wüsste er, was zu tun wäre, läge sie verletzt oder fiebernd vor ihm?
    Sie legte die andere Hand über seine und strahlte ihn an. Hoffentlich war ihr Lächeln nicht so kläglich, wie es sich anfühlte. «Ich freue mich darauf, Liebster.»
    Xabier kam und wartete in angemessenem Abstand, bis Reinmar ihn herbeiwinkte. Das schmale Männlein verbeugte sich und überreichte eine Zeitung und einen Brief, den Reinmar sogleich öffnete.
    «Ah. Die Familie Seiner Exzellenz Don Felipe de Uriarte lädt uns zum Tee ein. Sie möchte dich endlich kennenlernen.»
    Janna entwich ein Seufzen. «Das schaffe ich schon.»
    «Nein», er gab den Brief Xabier, der sich mit einem erneuten Bückling entfernte. «Du musst dich erst auskurieren.»
    «Aber ich kann doch den Gouverneur nicht schon wieder düpieren!»
    «O doch.» Er grinste spitzbübisch. «Es steigert die Neugier auf die catira , die blonde Ausländerin, wenn die Herrschaften weiter warten müssen. Zwei Wochen mindestens. So lange wird es auch dauern, bis du wieder über eine repräsentative Garderobe verfügst. Besser sogar vier. Allein die Auswahl des neuen Verlobungsringes nimmt viel Zeit in Anspruch. Na, was schreibt denn die hiesige Zeitung?» Mit raumgreifenden Gesten, die seine Zufriedenheit mit sich verrieten, entfaltete er das Journal und begann schweigend zu lesen.
    Der Herr liest, die Dame frühstückt, und unter dem Tisch tollen die Kinder. So soll es wohl sein . In ihrer Brust ballte sich Ärger. Sie wusste nicht recht, worauf.
    «Und?», fragte sie.
    «Hier steht, dass Bolívar an der Küste kämpft, mit sage und schreibe dreihundert Mann. Ein paar Banditen haben sich ihm angeschlossen, entlaufene Sklaven und wer sonst noch Grund hat, Spanien zu fürchten. Und hier: ‹Miranda im Gefängnis von Cadíz gestorben› – das war ein Revolutionär, der sich an den Spaniern die Zähne ausbiss. Sozusagen Bolívars Vorgänger und Lehrer. In diesem Blatt gibt’s wirklich kein anderes Thema. Nicht dass du dir Sorgen machst, Liebste! Die Sache wird an der Küste entschieden, nicht hier. Außerdem, ein paar hundert Männer, was soll denn daraus werden?»
    Sein Blick fiel auf etwas in der schattigen Galerie; er sprang auf, ließ die Zeitung zu Boden fallen und neigte sich über Janna.
    «Da oben ist die alte Fregatte. Komm, gib mir schnell einen Kuss, das wird Frau Wellhorns Laune steigern.»
    Janna fühlte sich von seinem Mund regelrecht überfallen. Bevor sie sich entscheiden konnte, ob sie es genießen wollte oder nicht, hatte er sich wieder aufgerichtet. Er riss eine Rose vom Strauch und gab sie ihr. Was sollte sein erwartungsvoller Blick?
    Erst nach einer endlosen Zeit begriff sie, brach ebenfalls eine Blüte ab und legte sie in seine Hand. Er steckte sie sich ins Revers seines Rocks. «Es wird Zeit für mich, ich muss in den Stall. Der Besitzer eines Gestüts aus San Félix hat sich für nachher angekündigt; er will mir einen seiner Beschäler zeigen.»
    Und fort war er.
    Janna blickte hoch. Die Galerie war verlassen, von Frau Wellhorn nichts zu sehen. Womöglich war sie gar nicht da gewesen. Er war eben ein Filou, ein großer Junge. Sie befingerte die Rose. Wie anders, ganz ohne Frechheit oder Galanterie, hatte Arturo ihr ein Geschenk gemacht. Er hatte … ah, nein, sie ließ schon wieder zu, dass er sich in ihre Gedanken schlich! Ihre Finger schlossen sich um die

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