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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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er sie vom hamburgischen Regen in die südamerikanische Traufe geführt habe, half Verónica aus. Schüchtern saß das Mädchen daneben, klemmte die Finger zwischen die Schenkel und blickte mit glänzenden Augen zu Reinmar hoch.
    Es war April geworden, als Janna erneut auf der kühlen Steinbank neben den marmornen Delfinen saß, aus deren Schnäbeln trübes Wasser sprudelte, und Reinmar sich neben ihr niederließ. Seit einigen Tagen verspürte sie wieder die Lust, zu malen oder zu zeichnen. Noch erschien es ihr mühselig, die Staffelei aufzubauen. Sie fühlte sich seltsam aufgeräumt. Gestern hatte sie sogar mit Verónica gemeinsam gelesen. Das Mädchen war aufgeregt mit dem Hintern hin und her gerutscht, als Janna aus dem Robinson vorgelesen und sich hin und wieder unterbrochen hatte, um den Kopf zu wiegen und zu sagen: Das kenne ich, das habe ich ähnlich erlebt . Oder: Also, da wusste der Autor ja gar nicht, wovon er schreibt. Heute hatte sich Verónica jedoch entschuldigt, ihr sei nicht wohl. Janna vermutete, dass die resolute Mutter sie aufs Zimmer befohlen hatte, da ihre Verliebtheit in den stattlichen catire ungesunde Ausmaße anzunehmen begann.
    «Liebste Janna», Reinmar legte seinen Strohhut beiseite und ergriff ihre Hand. Wie von selbst hob sie die andere und strich eine blonde Strähne aus seiner Stirn. «Wie geht es dir?»
    «Gut. Und dir?»
    «Ich lebe, wie du siehst.»
    Es klang, als habe er an vorderster Front gekämpft. Hinter seiner wie üblich makellosen Fassade wirkte er ein wenig verhärmt. Die Linien seines eckigen Gesichtes waren schärfer geworden; sogar die Kerbe am Kinn kam ihr ausgeprägter vor.
    «Janna», er drückte ihre Hand. «Wir werden es überstehen, wenn auch mit gerupftem Gefieder. La Jirara wurde von den Separatisten besetzt. Ich hörte, sie haben dort ein Lazarett eingerichtet. Von unseren Pferden soll keines mehr da sein.»
    «Weißt du, was aus Alhambra geworden ist?»
    Er schüttelte den Kopf. «Scheint so, als gehöre es zu unserem abenteuerlichen Leben, ab und zu ein Lieblingspferd zu verlieren. Wenn der Krieg vorbei ist, müssen wir wieder ganz von vorn anfangen: del Morales um Aussetzung der Pacht bitten, ein paar Pferde kaufen, einen Beschäler suchen – wo, weiß ich noch nicht …»
    Wie viel Geld besaß er noch? Das war ein Thema, um das sie sich nie Gedanken gemacht hatte. Warum auch, das war Sache des Mannes. Reinmar zog aus der Innentasche seines eleganten Rocks ein Etui. Es war in Seidenpapier gewickelt. Misstrauisch starrte Janna darauf. Geschenke bedeuteten Verpflichtungen.
    «Eine Hochzeit auf der Weide, mit den Honoratioren der Stadt, nun ja», begann er, «das müssen wir wohl noch ein bisschen hinausschieben.»
    Unwillkürlich musste sie lachen. Der Krieg war noch im Gange; die Stadt ächzte unter der Last des Elends; er war nicht einfach nur pleite, sondern ausgeplündert, und immer noch hing sein Herz an diesem dekadenten Traum? Eigentlich eine Schande – aber so war er, und sie spürte in sich ein leises Aufflackern der alten Zuneigung.
    «Das hier soll unser Band erneuern», sagte er feierlich und schob ihr das längliche Kästchen in die Hände. «Betrachte es als vorgezogenes Hochzeitsgeschenk.»
    Die Finger stillzuhalten hieße, sich endgültig von ihm zu trennen. Doch das Geschenk anzunehmen war ebenso unmöglich. Bleiern legte sich dieser Zwiespalt auf ihre Schultern. Schließlich zog sie die Schleife auf, riss das zarte Papier herunter und klappte den ledernen Deckel hoch.
    Vor ihren Augen begann es zu flirren, als läge, worauf sie blickte, in weiter, hitzeflirrender Ferne. In ihrem Kopf pochte es, und sie starrte darauf, Ewigkeiten, wie ihr schien.
    «Woher …»
    Mehr brachte sie nicht heraus.
    «Der Marqués gab ihn mir als Entschädigung für die Requisition meiner Pferde.»
    «Du – du hast diesen Schmuck schon die ganze Zeit in deinem Besitz?»
    «Nein, erst seit ein paar Tagen. Ich habe mich auch gewundert, weshalb er …»
    Weiter kam er nicht. Janna schlug den Deckel zu, stieß Reinmar im Aufspringen mit aller Kraft von sich und hastete ins Haus.

4. Kapitel
    Don Felipe de Uriarte saß hinter seinem vergoldeten Barockschreibtisch, überragt von der rot-gelb-roten Flagge mit den Wappen Kastiliens und Leóns in ihrem Bronzeständer. Über seiner rechten Schulter schenkte Ferdinand, von Napoleon eingesetzter König von Spanien, dem Eintretenden einen unfreundlichen Blick. Der Statthalter legte das Papier beiseite, in dem er soeben

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