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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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betrachtete er ihn und zerrieb ihn zwischen Zeigefinger und Daumen.
    «Exzellenz, Sie sollten das lassen.» Unter diesen Umständen war es unverfroren, auf ihr Anliegen zu sprechen zu kommen. Bessere Umstände würde es jedoch nicht geben. «Darf ich darauf zurückkommen, weswegen ich …»
    Hart stellte er das Fläschchen beiseite und schlug beide Handflächen auf den Tisch. Das kalte Flackern in seinen Augen ließ die gefühlte Temperatur im Zimmer dramatisch fallen. «Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, was dort draußen los ist? In den Straßen grassieren Fieber, Typhus!»
    Sein Blick erschreckte sie dermaßen, dass der Sinn der Frage nicht recht zu ihr durchdrang. Mechanisch antwortete sie: «Das schreckt mich nicht.»
    Er knurrte etwas in sich hinein, dass wie ‹burro› klang. Es war das gleiche Wort, das Arturo ihr zuallererst hingeworfen hatte. Ja, sie war ein Dummkopf, dorthin zu wollen. Aber sie wäre auch einer, wollte sie länger hier in diesem Raum verweilen. Sie erhob sich.
    Um eine Spur milderte sich die Härte, als er sich zurücklehnte. Er ergriff das Fläschchen und verschloss es wieder. Dann öffnete er eine Schublade und legte es hinein. Janna glaubte zu begreifen, dass er es seit langem darin verwahrte. Für einen Tag wie diesen. Mit ihr hatte das alles nichts zu tun. Don Felipe de Uriarte umkreiste nur noch sich selbst und sein Schicksal. Sie war nur zufällig hier.
    «Das Gefängnis dürfte derzeit der schlimmste Ort in dieser Stadt sein.» Matt rieb er sich die Augen. «Ich kann Sie nicht dorthin lassen. Aber ich habe ein Treffen arrangiert. Heute Nachmittag wartet um vier Uhr eine Kutsche auf Sie, die Sie zu ihm bringt.»
    Das kam plötzlich. Sie war sprachlos.
    «Warum auch nicht … Wenn es Ihr drängender Wunsch ist … Und es ist schwer, Ihnen etwas abzuschlagen. Wir haben doch mit Ihnen … wie sagt man bei Ihnen? Einen Narren gefüttert? Verzeihen Sie, wenn das falsch ist.»
    Ihr wollte nicht einfallen, was er meinte. Dann musste sie an eine Bemerkung Frau Wellhorns denken, die sich anfangs gewundert hatte, dass eine fremde Dame mitsamt Anhang im Haus des Statthalters aufgenommen wurde. Die haben wegen Humboldt einen Narren an Ihnen gefressen, Fräulein Janna , hatte sie später gemeint. Unser Landsmann war ja auch hier zu Gast. Und die Gattin findet es anscheinend chic, dass Sie Stadtgespräch sind. Bei Gott, seltsame Leute!
    «Im Übrigen ist es eine Schande für unser Land, dass eine Europäerin darin verlorengehen konnte. Und deshalb bin ich Ihnen etwas schuldig.»
    Sie glaubte, dass er meinte, was er sagte. Doch genauso glaubte sie, dass ihn die ganzen näheren Umstände nicht mehr recht interessierten. Wie auch, da er mit seinem eigenen Leben abgeschlossen hatte? Vielleicht war das der wahre Grund, und vielleicht hatte er auch deshalb den Schmuck fortgegeben. Es hatte alles keine Bedeutung mehr.
    Nun, da diese Hürde genommen war, taumelte sie innerlich. Vor Angst, Aufregung, Vorfreude – sie wusste es wieder nicht. Hatte Arturo wirklich getan, was man ihm vorwarf? Sie würde es erfahren. Allmächtiger, wollte sie das? Aber sie wollte, sie musste ihn sehen. Alles andere würde zu einer anderen Zeit an Bedeutung gewinnen. Doch nicht jetzt. Nicht jetzt … «Danke, Exzellenz.» Rasch machte sie einen Knicks und hastete zur Tür. Als sie die Klinke hinunterdrückte, bellte er ihr hinterher:
    «Und seien Sie pünktlich!»
    ***
    Als Janna die drei Schritte vom Haus zur Kutsche zurücklegte, fragte sie sich, warum sie nicht wahnsinnig davon geworden war, seit Wochen nicht mehr dieses Haus verlassen zu haben. Aber es war ihr gar nicht recht aufgefallen. Die Mauern hatten Schutz gegen das Elend geboten, das jetzt über sie hinwegbranden wollte. Tief duckte sie sich in den ledernen Sitz, war dankbar für die bewaffnete Eskorte beidseits der Fenster, eben auch, weil die Köpfe mit den Tschakos und die geschulterten Karabiner mit den aufgesteckten Bajonetten ihr ein wenig die Sicht versperrten. Denn ständig auf die Finger im Schoß zu starren, wie sie sich ineinander verkrampften, sodass sie weiß und rot wurden, war sie nicht imstande. Ihr Blick huschte von einem Kutschenfenster zum anderen; ihre Angst ließ den hastenden Zug der Menschen flirren und das Lärmen schrill werden.
    Die ganze Welt schien zu fiebern. Oder mir kommt es so vor, weil ich mich gerade wie ein Holzscheit im Feuerofen fühle. Wenn die Kutsche ins Stocken geriet, wollte sie laut rufen, damit es

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