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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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nächtliche Feuer, um das Arturo gewankt war. Die Bemalungen auf seinem schweißnassen Leib. Die Droge, die er sich in die Nase gesogen hatte. Und das Blut in seinem Gesicht. Sogar den stechenden Geruch der sumpfigen Erde meinte sie zu riechen. Aber es war nur de Uriartes Schweiß.
    «Ah, dann wissen Sie also, was man ihm zur Last legt. Sagen Sie, Doña Janna, Sie kennen also diesen Mann?»
    Heftig nickte sie, während sie aufsprang. «Ich muss zu ihm, Exzellenz. Bitte sagen Sie nicht, es sei nicht möglich. Ich muss ihn sehen!»
    «Er ist ein Mörder! Er hat einen Mann auf abscheulichste Art umgebracht. Einen Mantuano, verstehen Sie? Vier Jahre lang wurde er steckbrieflich gesucht!»
    Diese Informationen wollten nicht recht in ihren Kopf vordringen. «Ich muss», beharrte sie.
    Er lachte und schüttelte zugleich den Kopf. «Es ist nicht möglich.»
    «Sie sind der Gouverneur, Exzellenz.»
    «An mir liegt es nicht. Aber denken Sie doch an Ihre Reputation.»
    «Ich bin die Frau, die ein halbes Jahr im Busch gelebt hat. Und die seit fast einem halbem Jahr zusieht, wie die Stadt zugrunde geht. Mein Ruf ist weiß Gott meine geringste Sorge.» Und jetzt fragen Sie nicht, was Reinmar davon halten mag. Das ist mir nämlich auch gleichgültig .
    Der Marqués legte das Gold zurück ins Etui und schob es über den Tisch hinweg ihr zu. Sie verstaute es wieder in ihrem Réticule.
    «Kommen Sie morgen wieder», sagte er.

    Es brauchte drei Tage ständigen Vorsprechens bei seinem Sekretär, bis sich das mañana als ‹heute› erwies. Janna war ein Nervenbündel. Als sie wieder seinen Arbeitsraum betrat, befiel sie jedoch eine eigenartige Ruhe. Don Felipe de Uriarte saß wie zuvor an seinem Schreibtisch. Er trug eine tadellose schwarze Galauniform mit goldenen Verzierungen, wuchtigen Epauletten und die rote Schärpe. Janna sah sogar den Griff eines Degens an seiner Hüfte. Hatte er zuvor schon übernächtigt gewirkt, sah er heute fast geisterhaft aus, obwohl er rasiert war und nicht mehr stank. Sein von tiefen Ringen und trotz der Fülle von Furchen durchzogenes Gesicht sah um zehn Jahre gealtert aus. In den Händen hielt er andächtig ein winziges Tonfläschchen.
    «Exzellenz?», sagte sie, da er sie nicht bemerkte. Er schien aus einer Betäubung zu erwachen, als er sich endlich reckte und langsam seine rote Schärpe und den Degen zurechtrückte.
    «Ah, Doña Janna», er wies wie zuvor auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. «Wie schön, dass Sie mich wieder besuchen.»
    Wusste der Mann noch, weswegen sie hatte eintreten dürfen? «Exzellenz, ich …»
    «Machen Sie sich keine Sorgen», unterbrach er sie. «Sie haben nichts zu befürchten, wenn es zur Kapitulation kommt. Repressalien wird es nicht geben. Bolívar kommt ja als Befreier und nicht als Eroberer.»
    Es ließ sich nicht unterscheiden, ob er die letzte Äußerung ernst oder verächtlich meinte. «Sie wollen aufgeben?»
    «Ich? Ich habe in dieser Sache nichts zu sagen. Ich bin ein Operettengouverneur von de la Torres Gnaden.»
    Wäre ihr Anliegen nicht so dringlich, hätte sie sich freundlich verabschiedet, um nicht weiter Zeugin solch despektierlicher Äußerungen zu werden, die er bald bereuen würde. Der Marqués war ganz eindeutig nicht mehr Herr seiner Sinne. War in dem Fläschchen eine Droge?
    Sie zuckte zusammen, da er so laut wie Frau Wellhorn aufstöhnte, wenn sie ihrer Klage über die feuchte Hitze Ausdruck verlieh. Der Mann war zweifellos betrunken. Obwohl sie diesmal keinen Alkohol herumstehen sah. Ärger wallte in ihr auf, da er ihre Sache vertändelte.
    «Geht es Ihnen gut?», fragte sie dennoch. Wie zur Antwort zog er den Korken aus dem Fläschchen.
    «Das ist Curare. Ein Gift, das man aus Lianen gewinnt. Ihr Landsmann, Baron von Humboldt, hat davon erzählt.»
    Janna rieb sich die Schläfe. «Natürlich. Wer auch sonst», erwiderte sie trocken.
    Er lachte tonlos. «Nun, Sie vielleicht? Meine Frau bedauert, dass Sie in letzter Zeit im Geschichtenerzählen nicht mehr so sehr glänzen.»
    War das ein Vorwurf? Aber auf die Goldwaage durfte man bei ihm jetzt nichts legen.
    «Das bedaure ich, Exzellenz. Aber irgendwann ist alles erzählt.»
    «Humboldt berichtete damals, dass er das Curare im Selbstversuch im Dschungel getestet hatte. Er nahm davon etwas in den Mund, und ihm ist nichts geschehen. Wäre das Gift allerdings mit der kleinsten Wunde in Kontakt gekommen …» Er schnupperte an dem Fläschchen und goss einen Tropfen auf seinen Finger. Lange

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