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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brita Steinwendtner
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Männern war auch zu tief verwurzelt, als dass sie gänzlich über Bord geworfen werden hätte können.
    Warum gelang das nicht in der Liebe?
    Es war ein Heimkommen. Bei Roberta in der Küche stehen, ihre Ringlottenmarmelade kosten, Wärme spüren, in den Räumen, der Haut und tief drinnen. Parmenides beim Zeichnen griechischer Schicksalsgötter zusehen, seine Gegenstimme hören, seine besseren oder schlechteren Argumente.
    Die Dachkammer, die Elisa nach jener schwarzen Nacht vorübergehend zur Bleibe geworden war, wollte Tom vorerst nicht betreten.
    *
    Tom mühte sich. Bemühte sich redlich, im üblichen Auf und Ab des Lebens wieder Fuß zu fassen, fand langsam zu seinem Witz und seiner unaufdringlichen Agilität zurück und machte alle glauben, dass wieder Alltag eingekehrt wäre. Auch Oliver war davon überzeugt. Er war gleich nach der „Sache mit Elisa“, wie er es nannte, aus dem Bauernhaus ausgezogen und hatte, bevor er endgültig zurück nach München ging, in einem Hotel gewohnt. Sie trafen sich in Kolness im Café Schorner. Sie war ja ne tolle Biene, sagte Oliver, aber hat wahrscheinlich die Chemie zwischen euch nicht mehr gestimmt, soll ja vorkommen. Oliver meinte es als Trost und klopfte Tom zum Abschied auf die Schulter: Halt die Ohren steif, Kamerad.
    Tom hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen.
    Am liebsten alles zerschlagen. Ein Fenster, den Rinnert’n Stoa , den Ring des Saturn. Etwas Zerstörerisches war in den Mann vom Lamandergrund eingedrungen, etwas Selbstzerstörerisches. Er wollte es nicht sehen, nicht erkennen und nicht benennen. Etwas grub und rollte in ihm, in der Mitte seines Körpers, es höhlte und schmerzte, es ist der Bach, in langsamem Schaben und Drängen, im Fließen und Stocken, im Höhlen und Wuchern, unter dem Haus arbeitet er,
    und in dem Mann, der in den Mauern lebt.
    *
    Lange nicht gesehen, sagte Pater Lukas.
    Stimmt. Wie geht’s?
    Gut, danke. Und dir?
    Auch gut, danke. Tom wirkte heiter.
    Lukas war ein Schalk. Mit einem Rucksack über der Kutte ging er sonntags nach der Messe von Hof zu Hof, als ob noch Nachkriegs-Hamsterzeit wäre. Im Dorf wusste man nicht genau, ob er Devotionalien zu den Bauern trug, oder eher Speck und Obstler nach Hause. Oder ob er vor allem mit den Bäuerinnen schäkern wollte.
    Nichts Neues im Kloster, stellte Pater Lukas fest, aber du gehst mir ab. War immer anregend, mit dir zu reden. Jetzt ist es langweilig, man soll – er senkte seine Stimme – nicht weiter als bis zur Pforte denken. Aber die Geschäfte gehen gut. Die Leute fragen immer noch nach dir und deinen Führungen. Tut mir so leid. Aber du kennst ja unseren Administrator –
    Ja –
    Man sieht dich selten in letzter Zeit, Tom.
    Hab viel zu tun.
    Ich gratuliere dir!
    Tom überlegte.
    Gratuliere dir herzlich.
    Wozu?
    Dass du Vater wirst!
    Wie? – – Wie bitte?
    Na, dass du Vater wirst, Tom!
    Ich werde nicht Vater, nicht dass ich wüsste.
    Weiß doch schon jeder im Dorf, dass Elisa –
    Nein, Lukas! Ich werde nicht Vater! Etwas verzweifelt Harsches ist in Toms Stimme.
    Aber –
    Du machst einen Witz!
    Nein, ich mach keinen Witz. Das solltest du wissen, Tom, dass gerade wir nicht spassen mit dem ungeborenen Leben.
    Aber, Lukas! Ich werde nicht Vater!
    Elisa ist doch im fünften Monat schwanger –
    Glocken stürzen von den Türmen, Stuck fällt vom Gewölbe, einer wird gerade erschlagen. Dann sagte Tom:
    Ich bin nicht mehr mit ihr zusammen.
    Nicht mit Elisa?
    Wir haben uns getrennt. Ist schon eine Weile her.
    Das hab ich nicht gewusst, Tom, verzeih, das hab ich wirklich nicht gewusst. Wieso hab ich davon nichts gehört? Und wie ist das möglich, ihr habt so gut zusammengepasst –
    Soll vorkommen, ja.
    Entschuldige, das tut mir jetzt leid.
    Ist schon gut, Lukas. Du kannst ja nicht alles wissen, obwohl mich das wundert.
    Tom taumelte nach Hause.
    Gerade war er dabei, sein Leben neu zu ordnen.
    Jetzt war alles Gischt im Kopf, Brandung im Hirn, Brand in der Seele.
    Er rief Roberta an.
    Von wem, sag, wer ist der Vater?
    Ich weiß es nicht, Tom.
    Du lügst.
    Das sollst du mir nicht sagen!
    Verzeih, Roberta, aber ich muss es wissen.
    Ich weiß es wirklich nicht. Und wissen müssen tust du’s nicht.
    Reinhold? Oder doch Oliver?
    Tom, sei nicht so beschränkt. Elisa hat ihr eigenes Leben. Ohne Reinhold, ohne Oliver. Und ohne dich. Und – entschuldige, wenn ich das sage – auch gegen dich. So wie du dich verhältst –
    Du weißt es wirklich nicht?
    Nein. Sie sagt nichts und wir fragen

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