An einem heißen Nachmittag im August
Roderiks Wut verraucht. Insgeheim war er Tolliver sogar dankbar. Roderik liebte Maurice noch immer, wahrscheinlich würde er ihn noch eine ganze Weile lieben, Hundert Jahre oder so.
Der Dämon seufzte. Er wünschte sich, dass Maurice in der Elfensiedlung fand, wonach er suchte und möglichst lange dort blieb. Solange er bei den Elfen war, war er vor ihm sicher.
Küss mich, Kätzchen!
Ein Jahr ohne Maurice und Roderik war noch immer nicht wieder der alte. Gegenüber anderen Dämonen gab er sich forsch, und er hatte als Wirtschaftsanwalt mehrere skrupellose Gemeinheiten begangen, die ihm den Respekt der Dämonenschaft einbrachten. Er verhielt sich auf den Treffen wie ein Bilderbuchdämon. Dass etwas nicht mit ihm in Ordnung war, spürten eigentlich nur Tolliver, sein Vater Magnus ... und der Zwergenkönig Sarel Boak, mit dem Roderik sich im letzten Jahr ihrer Geschäftsbeziehung auch privat eng befreundet hatte.
Eine Wochenendeinladung auf Sarels Landsitz lag auf Roderiks Schreibtisch in seinem Büro der Kanzlei Hoffman, Tucci, Smith & Partner. Eigentlich hatte der Dämon keine Lust, seine Zeit bei irgendwelchen netten Geselligkeiten der Zwerge zu verbringen. Außerdem war es Ende Februar und nasskalt. Wenn ihm die Gesellschaft anderer Personen zu viel wurde, konnte er nicht einmal lange Spaziergänge machen, höchstens einen Ortswechselzauber durchführen, was allerdings dem Gastgeber gegenüber unhöflich wäre.
Aber Sarel würde wohl kein Nein akzeptieren. Zweimal hatte sich Roderik schon vor Zwergenfesten gedrückt, diesmal musst er wohl oder übel die Einladung annehmen, wollte er Sarel nicht verärgern. Also rief der Dämon seine Sekretärin herein und wies sie an, für ihn zuzusagen.
Das Wochenende auf dem Land war für Roderik eine gute Gelegenheit, Mal wieder in seinem eigenen Landhaus vorbeizusehen, das nur eine halbe Stunde von Sarels Landsitz entfernt lag. Natürlich war der Besitz des Zwergenkönigs sehr viel größer und prächtiger. Sarel benutzte sein Anwesen mehr zu Repräsentationszwecken als zu entspannenden Kurzurlauben. Es hatte sogar einen eigenen Hubschrauberlandeplatz.
Roderik zog es vor, mit seinem BMW auf das Land zu fahren. Er fuhr bereits Freitag-Abend los, weil er die erste Nacht in seinem Haus verbringen wollte. Sein Verwalter hatte alles vorbereitet. Einige Fenster waren anheimelnd beleuchtet, als der Dämon auf seinem Grundstück vorfuhr. Roderik stieg aus dem Wagen, nahm seine Tasche aus dem Kofferraum, ging zur Eingangstür, schloss sie auf und trat ein. Angenehme Wärme umfing ihn. Roderik ließ die Tasche im Flur stehen und ging in die Küche, wo er den Inhalt des Kühlschranks inspizierte. Seine Jacke legte er achtlos auf einem Küchenschrank ab. Er ging weiter ins Wohnzimmer. Der Verwalter hatte weder vergessen, die Heizung anzustellen noch den Kühlschrank zu füllen. Alles war sauber und ordentlich. Ein frischer Blumenstrauß stand auf dem Kaminsims. Die Holzscheite im Kamin waren vorbereitet. Roderik musste nichts weiter tun, als sie anzuzünden. Zu diesem Zweck hatte der Verwalter eine Streichholzschachtel mit besonders langen Hölzern bereitgelegt. Er wusste ja nicht, dass sein Chef ein Flammen-Dämon war und als solcher keine Streichhölzer zum Anzünden eines Feuers benötigte. Roderiks Lieblingsrotwein stand auf dem Wohnzimmertisch bereit. Der Korken steckte nur halb auf dem Flaschenhals. Der Verwalter hatte den Wein also schon die vorgeschriebene Zeit atmen lassen. Sehr gut! Ein poliertes Weinglas wartete nur darauf, gefüllt zu werden.
Der Dämon seufzte vernehmlich. Er war einsam, sehnte sich nach jemandem, mit dem er die Gemütlichkeit, die sich ihm hier präsentierte, teilen konnte. Nein, nicht irgendjemand ... Er sehnte sich nach Maurice ... Immer noch ... Wann hörte das endlich auf? Roderik schleuderte eine kleine Energiekugel in den Kamin, und das Holz entzündete sich augenblicklich. Danach ging er ins Bad und machte sich frisch. Sein Weg zurück in das Wohnzimmer führte ihn durch die Küche, wo er sich die beiden von seinem Verwalter vorbereiteten Häppchen-Teller griff. Er stellte die Teller auf den Tisch und entfernte die Folie. Schon wollte er sich auf seine Couch fallen lassen, als er noch einmal zu dem Kamin ging und die Blumen vor der Hitze rettete. Er stellte die Vase mit dem Strauß auf eines der Fensterbretter. Ein anderer Dämon hätte vielleicht darüber gelacht, doch er war allein und brauchte seine kleine Schwäche für schöne Blumensträuße
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