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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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war wirklich da .
    Chloes Stimme – nah, liebevoll – sagte: »Bist du wach?«
    Mark schirmte die Augen mit der Hand ab, bevor er sie vorsichtig einen Spalt öffnete. Chloe saß in einem Lehnstuhl neben der Couch und beugte sich lächend zu ihm vor.
    »Deine Brille liegt auf dem Couchtisch«, sagte sie.
    Er tastete danach, setzte sie auf. Das Zimmer wurde scharf, Chloe auch. Sie trug Jeans, ein Sweatshirt, dicke weiße Socken an den Füßen. Aus ihrem Lächeln – fröhlich, durchtrieben – schloss er, dass er einen mehr als desolaten Anblick bieten musste. Er versuchte zurückzulächeln, aber ihm war zu übel dafür.
    »Wie fühlst du dich«, fragte sie.
    »Beschissen.«
    »Du hattest dich ziemlich vollgetankt.«
    »’tschuldige.« Er zog sich die Decke, unter der er geschlafen hatte, um die Schultern. »Was hab ich dir heute Nacht erzählt?«
    Chloe saß jetzt so gerade wie ein Schulmädchen. »Es war ein bisschen wirr. Aber … du hast gesagt, dir ist Brendan erschienen?«
    »Ja. Genau, wie du es gesagt hast.« Wieder traf es ihn in seiner ganzen Unfasslichkeit: Es war wirklich wahr. »Chloe, entschuldige …«
    »Unsinn, warum denn?« Chloe hatte zu grinsen begonnen. Sie beugte sich wieder nach vorn und bog eine seiner Hände von der Decke weg. Ihre Finger waren kalt und stark.
    »Weil ich nicht auf dich gewartet habe«, sagte er. »Aber ich musste allein hin.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du bist eingebrochen.«
    »Connie hat einen Schlüssel unter dem Puhbär-Topf liegen.«
    Jetzt strahlte sie regelrecht – verschwörerisch, stolz. Sie drückte seine Hand, ließ sie dann los. »Du hast Nerven!«
    »Ich musste es einfach wissen.« Das Schuldgefühl holte ihn ein, und er wiederholte noch einmal: »Es tut mir leid, ich …«
    »Pscht.« Sie tätschelte seinen Handrücken. »Meinst du, du kriegst einen Kaffee runter? Ich habe frischen gemacht.«
    Er nickte.
    »Erst mal ein Aspirin«, sagte sie, so gutgelaunt und besorgt wie zu Collegezeiten, wenn sie verkatert und fröstlig zusammen auf dem Bettrand gesessen und darüber verhandelt hatten, wer von ihnen Frühstück holen musste.
    Chloe stand auf und verschwand durch einen Türbogen zu seiner Linken in die Küche. Er stellte die Beine auf den Boden. Sie waren nackt. Wie auch – das sah er erst jetzt, als die Decke zur Seite rutschte – sein restlicher Körper. Aufgeschreckt schaute er im Zimmer umher, ehe er seine Kleider ordentlich zusammengelegt auf dem Beistelltischchen entdeckte. Chloe hatte ihn ausgezogen und seine Sachen gewaschen. Und da er auch sonst in keiner Weise besudelt zu sein schien, hatte sie vielleicht auch ihn gewaschen.
    Chloe kam mit einem Plastikbecher voll Wasser zurück. Er zog sich die Decke über den Schoß.
    Sie schlug die Augen nieder. »Du hast dich vollgekotzt. Auf dem Bürgersteig.«
    Für wie viel musste er sich noch entschuldigen? Alles . »Es tut mir so leid.«
    Sie nickte in Richtung seines Körpers. »Geschenkt.«
    Seine Wangen wurden heiß, aber er trank von dem Wasser. Dann reichte ihm Chloe zwei Aspirin, und er spülte sie hinunter, die Kiefer fest zusammengepresst. In seinem Kopf hämmerte es, und er lehnte sich zurück in die Polster.
    Chloe verschwand wieder in der Küche, und Mark blickte sich erstmals mit Bewusstsein im Zimmer um. Es war sehr klein, mit einem einzelnen Fenster gleich über Marks Kopf. Der Lehnstuhl, in dem Chloe gesessen hatte, stand in der Ecke, unter einer Leselampe. Gegenüber der Couch war ein kleiner Fernseher. Ein Türbogen links davon führte in die Diele. Die Decken waren hoch, die Böden aus dunklem, glänzendem Hartholz. Die Wände waren alle cremeweiß gestrichen.
    Sie lebte so beengt. Sein Haus war viel, viel schöner.
    Das Haus, in das Allie heute zurückkehren würde.
    Diesmal brachte ihm Chloe eine Tasse Kaffee. »Vorsicht«, sagte sie und schloss seine Finger darum, als wäre er blind.
    Sie setzte sich auf den Lehnstuhl, die Knie zusammengedrückt. Sie lächelte, aber er konnte sehen, dass sie erschöpft war. Kein Wunder – schließlich hatte sie tief in der Nacht eine Stunde fahren müssen, um ihm zu Hilfe zu eilen.
    »Es ist wahr«, sagte er.
    Chloe presste die Lippen aufeinander und nickte.
    »Es war, wie du gesagt hast«, sagte er. »Ich habe ihn gespürt. Ihn gehört.«
    Sie strich ihm über den Arm. Im Sprechen kam alles zu ihm zurück. Er hatte geweint – um Verzeihung gebeten –, und Brendan war zu ihm gekommen, hatte ihn ausgefüllt wie eine Lunge voll warmer Luft, und

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