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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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im Wasserpark von Clintonville, bis zum Bauch im Babybecken. Neben ihm kniete Chloe im Bikini, ihr feuchtes Haar wie dunkler Honig.
    Brendan mit zahnlückigem Grinsen vor seinem Vorschulklassenzimmer, in den Händen seine Urkunde für vorbildliches Verhalten, die er stolz unters Kinn hielt.
    Ein Schulfoto aus demselben Jahr – der Fotograf hatte ihn angewiesen, die Hände im Schoß zu falten und zu lächeln, aber Brendan hatte die Lippen zusammengepresst und die Mundwinkel hochgebogen wie die Mona Lisa. Das war immer eins von Marks Lieblingsbildern gewesen; mit seinem braunen Hemd und dem sauber gekämmten und gescheitelten Haar sah Brendan so heiter aus, viel älter und weiser als seine sechs Jahre.
    Brendan mit zwei oder drei im Zoo, wie er sich auf Marks Arm über ein rotes Geländer lehnte, einem ausgestreckten Elefantenrüssel entgegen.
    Die nächsten Fotos überraschten ihn.
    Chloe hatte auch Bilder von ihm mitgebracht. Von ihm und Brendan, von ihm und Brendan und Chloe – der ganzen Familie zusammen.
    Er will uns beide .
    Das erste Bild hatte Mark sieben Jahre lang nicht mehr gesehen, und jetzt konnte er kaum hinschauen – er und Brendan beim Mittagsschlaf auf der Couch. Mark mit Bart und einem weißen T-Shirt, einen Arm hinterm Kopf, so dass die blasse Unterseite bloßlag. Sein anderer Arm war um den kleinen Brendan geschlungen, der seine Backe an Marks Brustkorb schmiegte und im Schlaf lächelte.
    Auf dem zweiten saßen er und Brendan auf der Hollywoodschaukel, ein Buch zwischen sich, das Mark hielt.
    Und als Nächstes wieder eine Überraschung: ein Foto von Mark allein.
    Es zeigte ihn noch als Collegestudenten, bestürzend jung und mager, in Sakko, weißem Hemd und einer schmalen punkigen Krawatte. Er trug sein Haar länger als jetzt, fast bis zur Schulter. Seine Brillengläser waren rund, eulenhaft. Ein dunkles Ziegenbärtchen verdeckte sein Kinn.
    In seinem letzten Collegejahr war das gewesen. Chloe hatte ihn dazu überredet, eine Benefizauktion zu moderieren – der Erlös sollte Förderprogrammen für Grundschulkinder zugute kommen. Unmittelbar bevor er das Podium bestieg, hatte sie gesagt: Dreh dich mal um, Süßer! – und dann den Auslöser gedrückt.
    Er legte sich dieses Bild aufs linke Knie und das von ihm und Brendan auf der Couch aufs rechte.
    Erst da bemerkte er, neben das Kissen geknüllt, ein Bündel aus hellblauem Jeansstoff: eine Jacke von Chloe noch aus Collegezeiten, die sie mit sich durchs Leben schleppte wie ein Kind seine Schmusedecke. Sie hatte sie bei ihrer ersten Verabredung getragen. Sie hatte sie auch angehabt, als sie nach der Scheidung zum ersten Mal wieder zusammen essen gegangen waren, und es hatte ihm damals fast das Herz gebrochen: Diese Jacke, hatte er gedacht, hatte bei ihr bleiben dürfen und er nicht.
    Er hob sie auf. Drückte sie an sein Gesicht. Roch Chloes Waschpulver, ihre Seife, einen Hauch des Parfüms, das sie manchmal auflegte. Zigarettenrauch.
    Er trank noch einen tiefen Schluck. Sah wieder hinab auf Chloe im Bikini, ihre Wangen beperlt von den Tropfen aus ihrem Haar, auf ihre nackten Schultern, die Rundung der Brust.
    Aber er war ja nicht Chloes wegen hier. Nicht nur.
    Und nicht nur wegen Brendan. Er war hier, weil er verlobt war.
    Er fischte das Handy aus seiner Tasche und rief – zwei- oder dreimal tapste er daneben – alle Fotos auf, die er darin gespeichert hatte. Allies Gesicht leuchtete zu ihm empor. Allie, samtäugig im kleinen Schwarzen mit Spaghettiträgern, die Lew an Silvester auf die Wange küsste. Allie, die lesend in einem Café saß und sich mit einer Hand das Haar aus dem Nacken schob. Allie am Flughafen vor ihrem gemeinsamen Frühlingsurlaub in Seattle, in Sweatshirt, Turnschuhen und pinkfarbener Baseballmütze wie fast immer auf Reisen, mit einem liebreizenden Lächeln im Gesicht.
    Im September würden sie heiraten. Wenn er jetzt tot umfiele, hier, umringt von Fotos von Chloe: Wie entsetzt wäre sie dann, wie verletzt!
    Das Haus schien sich anzuspannen, als er das dachte, sich über ihr Bild zu beugen wie ein grimmiger Riese, der den winzigen, verhassten Eindringling endlich ausgemacht hat.
    Er griff wieder nach den Fotos. Brendan als Zweijähriger unterm Weihnachtsbaum, wie er ein Paket aufriss, während seine lächelnden Eltern im Schneidersitz rechts und links von ihm saßen; Mark hielt eine fertiggebundene Schleife über Brendans Kopf.
    Ein Studiofoto in Schwarzweiß: Mark und Chloe liegend, zwischen sich den Säugling Brendan,

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