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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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dafür, dass Chloe noch immer die gleichen Waschmittel und Dufttücher für den Trockner benutzte wie früher, die ihn nun mit ihrem vertrauten Geruch einhüllten. Er sah noch einmal in den Spiegel. Seltsam, solange er die Augen offen hatte, war er Allies Verlobter – aber kaum schloss er sie, hätte er auch der Ehemann von Chloe sein können.
    Als er wieder im Wohnzimmer war, rief er Lewis an.
    »Verdammt«, sagte Lew sofort, »ich hab mich halb tot gewartet. Alles in Ordnung mit dir?«
    »Bis auf einen Kater, ja.«
    »Wo bist du?«
    »Erzähl ich dir gleich«, sagte Mark. »Sag mir erst, ob du mit Allie gesprochen hast.«
    »Nein. Sie hat mir ein paarmal draufgesprochen, aber ich dachte, ich rede besser erst mit dir.«
    Danke. Danke.
    »Ich war bei dir«, sagte Mark. »Auf deiner Couch, die ganze Nacht.«
    »Scheiße«, sagte Lew. »Du bist bei Chloe, stimmt’s?«
    »Es ist nicht, was du denkst«, sagte Mark. »Ich war gestern noch in unserem alten Haus. Und – Lew, es ist alles wahr. Brendan ist wirklich da.«
    Auch jetzt klangen die Worte unfasslich – atemberaubend.
    Lew wartete lange, ehe er sagte: »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher.«
    »Was ist passiert?«
    »Gleich. Es ist – es war nicht so, wie du dachtest. Es war eine gute Erfahrung.«
    »Mark …«
    »Mir geht’s prima, ich schwör’s.«
    Wieder eine Pause, dann sagte Lew: »Okay. Aber was sagst du Allison?«
    »Ich weiß es noch nicht. Sie darf auf keinen Fall erfahren, dass ich hier war. Es ist nichts vorgefallen, aber …«
    »Mark.«
    »Du musst mich decken, Lew. Bitte.«
    »Unter einer Bedingung.«
    »Nämlich?«
    »Du bewegst deinen Arsch hierher. Du übernachtest bei mir. Diesmal echt.«
    Das war natürlich nur vernünftig. Bei Chloe konnte er ja auf Dauer nicht bleiben. »In Ordnung«, sagte er.
    »Wie ist die Adresse? Ich hol dich ab.«
    »Jetzt noch nicht. Später. Chloe und ich müssen erst noch ein paar Dinge besprechen.«
    »Das könnt ihr auch am Telefon.«
    »Ich kann mich kaum auf den Füßen halten«, sagte Mark. »Ich ruf dich an, sobald sie zurückkommt.«
    So, wie Lew daraufhin schwieg, glaubte er Mark vermutlich kein Wort.
    Erst nach dem Auflegen wurde Mark klar: Wie immer sie ansonsten verblieben waren, beide gingen sie davon aus, dass er heute nicht zu Allison heimfuhr.
    Die Sonne war fast untergegangen. Mark schaltete eine Lampe im Wohnzimmer an und dann auch eine in der Küche. Die Küche war klein, aber sehr aufgeräumt, mit gelb getünchten Wänden und weißen Emaillegeräten, die ein halbes Jahrhundert alt sein mussten. Durch ein Fenster über dem Herd blickte man auf dichtes Astgewirr. Eine knallrot lackierte Tür führte auf einen kleinen Holzbalkon, auf dem mit knapper Not ein niedriger Gasgrill und ein dick mit Schnee verkrustetes Liegesofa Platz fanden. Über das Balkongeländer sah Mark hinaus auf Dächer, Bäume und dahinter einen ansteigenden Hang, eine sich auftürmende Welle aus nacktem braunem Gezweig, deren Kamm sich im Dämmer verlor.
    Er hatte eben neuen Kaffee aufgesetzt, als sein Handy klingelte. Auf dem Display erschien Allisons Name.
    Der Himmel draußen war so dunkel, dass er sich wie ein Astronaut in einer winzigen trudelnden Raumkapsel vorkam. Er schluckte hart und meldete sich.
    »Du lebst also noch«, sagte Allie.
    »Mit Mühe und Not.«
    Er wartete, stellte sich das Dutzend von Antworten vor, die Allison durch den Kopf gehen mochten. Freundlich war keine.
    Ihre Stimme war nadeldünn. »Sag mir, wo du bist.«
    »Ich hab bei Lew übernachtet.«
    »Wo du jetzt bist.«
    »Allie.« Er stand auf und ging ins Wohnzimmer. »Es ist etwas passiert.«
    Sie schwieg.
    »Ich war nicht ganz ehrlich zu dir«, sagte er. »Und dafür entschuldige ich mich. Aber ich sage es dir am besten, wie es ist. Ich war in unserem alten Haus. Brendan …« Er blieb vor einem Foto stehen, das an der Wand hing: Brendan als dickes, strahlendes Baby mit Charlie-Brown-Zickzack-T-Shirt und riesigem, zahnlosem Mund. »Connie Pelham hatte recht. Er ist da, im Haus.«
    Allie sagte so lange nichts, dass er sich schon fragte, ob die Verbindung abgerissen war. »Ach, Mark.«
    »Ich weiß, es ist schwer zu glauben. Aber wenn ich es dir sage … Bitte glau…«
    »Bist du bei Chloe?«
    Gleich unter dem Babyfoto von Brendan hing ein Bild von ihm mit zwei oder drei. Darauf saß er neben Sam an dem Picknicktisch hinterm Farmhaus, Sams gespreizte Finger auf seinem Scheitel, als hätte er einen Seestern auf dem Kopf, und streckte der Kamera die

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