Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
Vom Netzwerk:
Schlüssel auf den Tisch legte. Ihre Namen rief.
    Mommy ist zu Hause, würde er sagen.
    Komm, würde er sagen, wir gehen zu ihr und erzählen’s ihr, und dann würden sie aufstehen, er und Brendan, und sie würden zusammen die Treppe hinuntersteigen, Mark ganz dicht vor seinem Sohn, bis sie sicher unten angelangt waren.
    Es tut mir leid , sagte er, dachte er. So unendlich leid .
    Das Zimmer drehte sich um ihn, so nahe.
    Und dann berührte etwas seine Hand.
    Mark setzte sich auf. Sein Atem ging keuchend. Seine Hand kribbelte noch, er schlug die andere darüber. Etwas war aus der Dunkelheit gekommen und hatte ihn berührt, federleicht, flüchtig.
    Das Wort schien zu groß für seine Kehle, aber er stieß es hervor:
    »Brendan!«
    Sein Geruch. Sein Lachen. Sein Zwitscherstimmchen: Daddy!
    In ihm brach etwas auf, wie ein Riss, der blitzschnell über eine arktische Eisdecke zackt. Seine Haut prickelnd vor lauter Licht.
    O Gott mein Gott Brendan du bist es, du bist es …
    Sein Magen und Hirn in wildem Taumel verschlungen. Der Geruch noch immer in seiner Nase, Kinderschweiß, Schmutz. Aber vermischt mit einer Süße, diesem letzten Rest Babyduft, den Mark immer eingeatmet hatte, wenn Brendan an seiner Brust eingeschlafen war.
    Er streckte die Hand aus, um ihn zu spüren, um die Baumwolle von Brendans Schlafanzugoberteil zu spüren, doch stattdessen erwischten seine Finger den Lampenschirm. Die Lampe ächzte, stürzte um; die Birne zersprang.
    Von der anderen Wand kam ein Laut.
    Er starrte in die Finsternis. Er hörte nur den Wind und das leise Knarzen des Gebälks und …
    Da …
    Ein leises Plumpsgeräusch bei der Tür, wie Kleider, die zu Boden fielen.
    »Brendan?«
    Und nun ganz eindeutig Schritte. Rasch, trappelnd, zur Tür hinaus und den Gang entlang. Schritte in Richtung Treppe.
    »Brendan!«, rief er und sprang auf, taumelte vorwärts. Er krachte gegen einen Stapel Kartons, der umfiel; das Poltern jagte Lichtgarben quer über sein Gesichtsfeld. Er stolperte, schlug sich an etwas Scharfem die Hand an, und dann war er bei der Tür. Rannte blindlings auf die Treppe zu, um die Ecke, wollte das glatte Geländer packen. Ganz koordiniert war er noch nicht, er griff daneben, strauchelte, konnte gerade noch den Unterarm ums Geländer haken.
    Mit der anderen Hand krallte er in die Luft vor ihm, um Brendans Rucksack zu fassen zu bekommen, seinen Sohn vor dem Verderben zurückzureißen. Aber die Hand stieß ins Leere, und nur die Armbeuge am Geländer bewahrte ihn davor, selber die Stufen hinabzustürzen.
    Mark hangelte sich wieder hoch. Er zitterte, schluchzte. Seine Rippen schmerzten von dem Aufprall. Er hatte noch nie so etwas gespürt – eine Erregung, ein Gleißen in ihm, so heftig und grell wie Blitze. Es war alles wahr . Alles, was er gehofft und gefürchtet hatte, war wahr.
    Mark hatte die Wahrheit eingestanden, und Brendan war zu ihm gekommen. Er hatte sich entschuldigt, und Brendan hatte seine Hand berührt.
    Brendan war hier .
    Er konnte nur das tun, was Chloe auch getan hatte. Er holte das Handy heraus und wählte ihre Nummer. Es war halb drei Uhr nachts, sie war bei ihren Eltern in Marysville. Im Zweifel war ihr Telefon ausgeschaltet. Wenn sie nicht abnahm, würde er ihr eine Nachricht hinterlassen; dann würde er hinausgehen, vor bis zum Waschsalon, wo er sich neulich das Taxi bestellt hatte, und wieder eins rufen. Aber er wünschte sich so, dass sie abnahm. Er wünschte es mit aller Kraft.
    Chloe meldete sich. Ihre Stimme, so rein, so gütig, sagte seinen Namen.
    »Liebling«, sagte er, und seine eigene Stimme schwankte dabei. »Ich bin’s.«

V
Geistervertreiber

EINUNDZWANZIG
    Als Mark wach wurde, wusste er nicht gleich, wo er war.
    Sonne stach ihm in die Augen, unter seiner Wange ballte sich weicher Stoff. Gerüche drangen auf ihn ein: Essen, schwer und süß. Kaffee. Und dazwischen etwas Sanfteres, Vertrautes. Feminin.
    Er war noch in ihrem alten Haus. Mit Chloes Jeansjacke als Kissen.
    Nein. Völlig falsch. Jetzt fiel es ihm ein. Er hatte ja Chloe angerufen. Sie war zu ihm gekommen, sie hatte ihn in Brendans altem Zimmer gefunden. Daran erinnerte er sich. Und dann hatte sie ihn mit zu sich genommen. Er war in Chloes Wohnung.
    Mark wollte die Augen aufschlagen, aber das Licht war zu grell; er stöhnte. Dann hörte er Schritte. Er war in einer Zeitschleife gefangen. Schritte, die näher kamen, Schritte, die gingen. Nebel und Echo.
    Brendan war heute Nacht zu ihm gekommen. Das war kein Traum gewesen. Brendan

Weitere Kostenlose Bücher