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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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dann …
    Und dann war Mark aufgestanden, und Brendan war weggelaufen. Seine Füße waren die Treppe hinuntergetrappelt.
    »Chloe«, sagte er, aber für den Rest – dieses kostbare, überwältigende Mysterium – gab es keine Worte. Die Welt hatte sich verändert, nichts war mehr so wie zuvor. Brendan war wirklich. Chloe war hier, bei ihm; zum ersten Mal seit Jahren war die Wand zwischen ihnen gefallen. Er brauchte nicht zu heucheln. Brendan war zurückgekommen.
    Chloe streckte ihm die Hand hin. Er nahm sie, zog sie an seine Brust und weinte wie ein Kind.
    Nach einer Weile stand Chloe auf und ging aus dem Zimmer. Er hörte, wie sie sich das Gesicht wusch. Als sie wiederkam, hatte sie eine Handvoll Kleenex dabei, die sie ihm in die Hand drückte.
    Er putzte sich die Nase und fragte dann: »Und was wird jetzt?«
    »Heißt das, du bist dabei?«, fragte sie. »Du hilfst mir?«
    »Ja«, sagte er.
    »Ich muss ein bisschen telefonieren«, sagte sie. Ihre Stimme klang zärtlich, noch belegt vom Weinen, so warm wie seine Mulde auf der Couch. »Und ein paar Besorgungen müsste ich noch machen. Ruh du dich aus, und dann koch ich uns was – du solltest bald etwas in den Magen bekommen.« Sie richtete sich auf. »Wenn du bleibst, meine ich. Zum Essen.«
    »Essen?«
    »Mhmm. Du warst ziemlich lange hinüber. Es ist vier.«
    Er setzte sich auf. »Um Gottes willen.«
    »Was ist?«
    »Allie«, sagte er.
    Chloe sagte: »Ich dachte – gestern Nacht hast du gesagt, Allison wäre in Toledo …?«
    Daran hatte er keine Erinnerung. »Gestern Nacht war sie dort. Jetzt ist sie daheim.«
    Chloe beobachtete ihn abwartend.
    »Ich ruf sie an. Wir … ich hab ihr das alles noch gar nicht richtig erzählt.« In seinem Kopf schien sich eine Faust zusammenzuballen. »Ich war nicht besonders ehrlich zu ihr.«
    »Oh«, sagte Chloe. »Ich meine, wenn … wenn du nach Hause musst, kann ich dich zu deinem Auto bringen. Sag einfach, wann.«
    »Wo ist mein Handy?«
    »In deinem Mantel.« Chloe ging in die Diele und öffnete eine Schranktür, kam dann mit dem Telefon zu ihm zurück.
    Er klappte es auf. Sieben Nachrichten, drei von Lewis und vier von Allie.
    Chloe beäugte ihn, als wäre er eine Maschine, die urplötzlich zu scheppern und zu qualmen begonnen hatte. »Ich komm schon klar«, versicherte er ihr, dabei glaubte er es selbst nicht. »Wenn du losmusst.«
    Chloe sagte: »Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du mich brauchst. Oder ich kann auch hierbleiben. Ich …«
    »Chloe. Das ändert nichts an den Tatsachen. Du kannst auf mich zählen. Komme, was da wolle.«
    Sie schien noch etwas sagen zu wollen, verbiss es sich aber. Sie strich ihm nur mit einem gequälten, schuldbewussten Blick über die Wange, dann ging sie zur Tür und zog den Mantel an.
    Auch als sie weg war, konnte sich Mark nicht dazu überwinden, Allie anzurufen, nicht gleich. Passiert war passiert, da konnte er sich seine Standpauke auch abholen, wenn er seine Sinne wieder beisammenhatte. Er nahm seine gewaschenen Kleider und ging damit ins Bad. Das Aufflammen des Neonlichts vor dem Schwarzweißmuster der Kacheln tat seinen Augen weh.
    Ihr Bad war winzig. Beherrscht wurde es von einer ausladenden Badewanne mit geschwungenen Füßen; Chloes Seifen und Lotionen waren auf einem kleinen gefliesten Sims darüber aufgereiht. Der Spiegel und das rostfleckige Waschbecken blitzten beide vor Sauberkeit. Er klappte die Klobrille hoch und pisste brennendes, dunkelgelbes Gift heraus. Dann wusch er sich die Hände mit heißem Wasser, fuhr sich mit den nassen Fingern durchs Haar und drückte es fest an den Kopf.
    Erst danach riskierte er einen Blick in den Spiegel. Seine Haut war fahl, seine Augen blutunterlaufen und hohl wie bei einem Pestkranken. Seine Backen waren so stopplig, dass sie schmutzig wirkten. Er überlegte, ob er einen von Chloes Rasierern benutzen konnte. Als sie noch verheiratet waren, hätte er das ganz normal gefunden.
    Aber er war nicht mit ihr verheiratet. Er war mit Allison Daniel verlobt.
    Vielleicht hatte sie ihn aufgegeben; vielleicht weinte sie sich gerade bei einer ihrer Freundinnen aus. Oder sie war auf dem Weg zu Lew, um von ihm zu erfahren, wo Mark steckte. Vielleicht versuchte sie auch Chloes Adresse herauszubringen – vielleicht fuhr sie in dieser Sekunde schon am Haus vorbei und hielt Ausschau nach Marks Auto.
    Allie, würde er sagen, du verstehst das nicht. Es hat sich alles geändert.
    Mark duschte kurz, dann zog er sich an, dankbar für die sauberen Sachen,

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