Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
gewesen war.
    Ende August reisten Ellen und Alec wieder nach Seil. Am ersten Vormittag unternahmen sie einen Entdeckungsausflug zur Küste hinunter, wo sie unbekannten Wegen über Viehweiden und an Stränden entlang folgten. Butterblumen leuchteten im Gras, aus schmalen Spalten zwischen den Steinen wuchsen Felsenpflanzen in zarter Miniatur. An den Meeresrändern brandeten die Wellen auf Strände, die einem Mosaik aus glatt geschliffenem Schiefer und gekräuseltem grünem Seetang glichen, und hoch oben über den Klippen kreiste ein Bussard, die Schwingen weit gespannt, um die Luftströmungen einzufangen. Weiter draußen donnerten weiß schäumende Brecher an kantige Felsen. Das Meer, das sie umspülte, funkelte in ständig wechselnden Farben im Sonnenlicht. Die Herren der Inseln waren durch diese Gewässer gesegelt; Campbells und MacDonalds waren die Eigentümer dieses Landes gewesen.
    Am Nachmittag ging Alec seiner Mutter bei der Erledigung der Büroarbeiten zur Hand, die auf so einem Besitz regelmäßig anfielen. Ellen erbot sich, etwas im Haus oder im Garten zu helfen, aber Alecs Mutter behauptete, das sei nicht nötig. Da sie nichts Rechtes zu tun hatte, ging sie nach Ellenabeich hinunter, das Dorf auf der anderen Seite der Bucht. Reihen niedriger weißer Häuser duckten sich zu Füßen hoher Granitwände, deren Glätte von Geröllfeldern aufgebrochen war. Ein Grasgürtel trennte die Häuser vom steinigen Strand. Es war ein durchaus malerisches Bild, aber Ellen schien es, als seien die Häuser zwischen Felsen und Meer gefangen, und die Vorstellung, wie es im dunklen Winter sein würde, hier draußen auf diesem Felsrücken an der Kante des Atlantiks, machte ihr beinahe Angst.
    Sie warf ihre Ansichtskarten in den Postkasten und ging zum Hafen. An einer aus Schiefer aufgeschichteten Pier drängten sich Boote, die im auffrischenden Wind auf dem Wasser schaukelten. Nicht weit entfernt lag die winzige Insel Easdale. Über die wogende See hinweg konnte Ellen ihre unregelmäßigen Konturen und den kleinen Hafen ausmachen.
    Jemand winkte ihr von einem einlaufenden Boot. Als Ellen Catriona Campbell erkannte, winkte sie zurück und sah zu, wie Alecs Verflossene das Segelboot geschickt in den Hafen manövrierte und es an einem Eisenpfosten auf der Pier festmachte.
    In tropfendem gelbem Ölzeug kam sie die Pier heraufgelaufen, das Gesicht gerötet, mit den Händen ungeduldig die zerzausten dunklen Strähnen zurückstreichend, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten.
    Â»Hallo! Ich habe schon gehört, dass Sie und Alec auf der Insel sind. Wie geht es Ihnen?«
    Â»Gut, danke«, sagte Ellen. »Ich wusste gar nicht, dass Sie segeln, Miss Campbell.«
    Â»Ach, sagen Sie doch Catriona zu mir. Miss Campbell ist so förmlich, und ich hoffe doch, wir werden Freundinnen. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie Ellen nenne?«
    Â»Aber nein, ganz im Gegenteil.«
    Â»Segeln Sie auch, Ellen?«
    Â»Leider nicht. Es scheint sehr erfrischend zu sein.«
    Catriona warf einen Blick zurück zum Boot und lächelte. »Es gehört zu den Dingen, die mir am meisten fehlen, wenn ich nicht hier bin. Wenn ich traurig bin oder schlecht gelaunt, fahre ich mit dem Boot raus, und gleich geht es mir wieder besser. Ich nehme Sie mal mit, wenn Sie Lust haben. Wir könnten nach Luing hinübersegeln oder zu einer der unbewohnten Inseln. Alec ist natürlich auch willkommen, obwohl er immer gern das Kommando an sich reißt. Typisch Mann eben. Wo ist er überhaupt? Nicht nett von ihm, dass er Sie allein durch die Gegend laufen lässt.«
    Â»Ach, das macht mir nichts aus. Er sieht irgendwelche Unterlagen mit seiner Mutter durch.«
    Â»Aha, Marguerite hält ihn also auf Trab. Sie gibt doch nie auf.«
    Diesmal musste sie einfach fragen. »Was meinen Sie damit, Catriona?«
    Â»Ach, nichts. Mütter und Söhne, Sie wissen schon. Wehe jeder von uns, die dazwischenfunkt.« Catriona sah auf ihre Uhr. »Oh, tut mir leid, ich muss los. Ich würde gern den Nachmittag mit Ihnen verbummeln, aber ich habe meinem Vater versprochen, mit ihm nach Oban zu fahren, und ich bin schon spät dran.«
    Sie war schon losgegangen, als sie sich noch einmal nach Ellen umdrehte. »Ach, beinahe hätte ich es in meiner Schusseligkeit vergessen: Ich wollte fragen, ob Sie und Alec Lust haben, am Freitagabend zu uns zum Essen zu

Weitere Kostenlose Bücher