An einem Tag im Winter
Engländerin, die es nicht der Mühe wert fand, sich zu einem Abendessen irgendwo in der schottischen Provinz festlich zu kleiden. Jetzt waren die Rollen vertauscht: Jetzt war Ellen das unscheinbare Ding von nebenan, während Catriona in schwarzem Samt und Smaragden glänzte.
Hatte es Alecs Jugendfreundin genau darauf angelegt? Und wenn ja, warum?
Sie gab sich einen inneren Ruck. Sie fing ja schon an, Gespenster zu sehen. Was spielte es für eine Rolle, ob sie in Rock und Pulli oder im Abendkleid war? Sie war mit Alec hier, als seine Verlobte.
Trotzdem war sie erleichtert, als Catriona in die Hände klatschte und verkündete, das Essen sei serviert.
»Hört sich an, als würde ein Sturm aufziehen«, sagte der Mann â Gillis Maclean, rotes Haar, blaue Augen â, der am Esstisch neben Ellen saÃ.
»Ach, verdammt«, schimpfte Catriona. »Ich wollte doch morgen mit dem Boot raus.«
Sie waren fast fertig mit dem Hauptgericht. »Das könnte vielleicht ein bisschen heftig werden, Cat«, meinte Gillis. »In welche Richtung wolltest du denn?«
»Nur nach Luing.« Catriona, die am Kopf des Tisches saÃ, sah Ellen lächelnd an. »Ich habe Ihnen und Alec doch den Ausflug versprochen.«
»Klingt gut«, bemerkte Alec.
Seine Mutter runzelte die Stirn. »Aber nicht bei schlechtem Wetter, Catriona, Kind.«
»Nein, natürlich nicht.«
Ellen war aufgefallen, mit welcher Ehrerbietung die anderen Gäste Mrs. Hunter entgegenkamen. Bei Catriona allerdings schien ihr die sittsame Liebenswürdigkeit Verstellung zu sein.
»Ich hoffe, Sie sind seetüchtig, Miss Kingsley«, sagte Gillis.
»Ich habe noch nicht viel Gelegenheit gehabt, das zu prüfen. Ich bin nur einmal mit dem Schiff nach Frankreich gefahren und ein paarmal mit der Fähre auf die Isle of Wight. In London kann man nicht segeln, da gibt es nur Dampferfahrten auf der Themse. Und meine Arbeit lässt mir nicht viel Zeit für Hobbys.«
»Was machen Sie denn?«
»Ich bin Biochemikerin.«
»Wie Sie, Hunter.« Ein Nachbar der Campbells, ein hagerer, sommersprossiger Mann, nickte Alec zu.
»Diese berufstätigen Frauen«, warf Alecs Mutter mit einem dünnen Lächeln ein.
»Wo haben Sie sich kennengelernt?«
»In Gildersleve Hall in Cambridgeshire. Wir haben beide dort gearbeitet.«
»Liebe zwischen Reagenzgläsern«, sagte der Sommersprossige, und die anderen lachten.
»Alec ist so ein gescheiter Bursche«, lobte eine ältere Frau, eine Mrs. Douglas, in einer weiÃen Bluse mit leicht vergilbtem Spitzenjabot. »Du bist sicher stolz auf ihn, Marguerite.«
»Und â haben Sie das Atom schon gespalten, Hunter?«, erkundigte sich Gillis Maclean.
Alec lächelte. »Das hat schon vor mir jemand geschafft. Und die Kernphysik ist eigentlich auch nicht mein Fach.«
»Ich kann mir vorstellen, dass es dir schwerfallen wird, das alles aufzugeben«, meinte Donald Frazer.
»Aufgeben?«, fragte Ellen. »Warum sollte Alec seine Arbeit aufgeben?«
»Na ja, wenn er auf die Insel zurückkommt.«
»Das hat Alec Ihnen doch gesagt, Ellen, oder nicht?«
Donald Frazer und Alecs Mutter hatten gleichzeitig gesprochen. Beinahe hätte Ellen gefragt: Was soll er mir gesagt haben? , aber sie schaffte es zu schweigen. Ãber den Tisch hinweg sah sie Alec an. Sie wartete darauf, dass er etwas sagen würde, aber er runzelte nur die Stirn und schaute zur Seite, und der Moment verstrich.
»Alec ist gerade dabei, sich einen Namen zu machen«, erklärte Ellen beherrscht. »Es wäre eine schreckliche Verschwendung, wenn er seine Arbeit aufgäbe.«
»Alec hat eine Verpflichtung.« Marguerite Hunters Stimme war klar und ruhig. »Das hat er immer gewusst.«
Mrs. Douglas brach das unangenehme Schweigen, das diesen Worten folgte. »Du wolltest Miss Kingsley wahrscheinlich nicht abschrecken, hm, Alec? Ich kann mir vorstellen, dass du Angst hattest, sie würde Zweifel bekommen, wenn sie erfährt, dass sie in Zukunft hier drauÃen, praktisch am Ende der Welt, leben soll.«
Die Bemerkung war gut gemeint, aber sie wirkte wie eine kalte Dusche. Hastig wandte man sich anderen Gesprächsthemen zu.
Da Mrs. Hunter müde war und Alec bat, sie gleich nach dem Essen nach Hause zu bringen, bot sich Ellen im Durcheinander nach Aufhebung der Tafel keine Gelegenheit, allein mit ihm zu
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