An einem Tag im Winter

als du das erste Mal auf der Insel zu Besuch warst, nur um dich zu begrüßen. Das hat sie mir selbst gesagt. Sie hat dir angeboten, mit dir zu segeln, und sie hat dich zum Abendessen bei sich zu Hause eingeladen. Was hätte sie denn noch tun sollen?«
    Â»Sie mag mich nicht, Alec.«
    Â»Warum sollte sie dich nicht mögen?«
    Â»Das liegt doch auf der Hand. Weil sie dich liebt.« Endlich war es heraus.
    Â»So ein Unsinn.« Er war wütend.
    Â»Ich war heute Abend die einzige Frau, die kein Abendkleid anhatte. Als ich Catriona am Hafen getroffen habe, hat sie behauptet, es sei alles ganz zwanglos. Bloß keinen Aufwand , hat sie gesagt.«
    Aber selbst in ihren Ohren klang das lächerlich, dieses alberne Getue wegen eines Kleides.
    Â»Du hast dich wahrscheinlich einfach verhört.« Sein Ton war deutlich gereizt. »Oder sie wollte es dir leicht machen und dir nicht den Eindruck vermitteln, du müsstest dich wegen dieses Abends in Riesenanstrengungen stürzen. Spielt das denn eine so große Rolle?«
    Â»Es spielt eine Rolle, dass sie mich absichtlich aufs Glatteis geführt hat.«
    Â»So ist Cat nicht.«
    Â»Wie ist sie dann, Alec?«, fragte sie spitzer als gewollt. »Du hast dich ja ziemlich ausgeschwiegen über sie.«
    Sie hatten Kilmory House erreicht. Die Strahlen der Scheinwerfer strichen über den gekiesten Vorplatz, über den der Wind Blätter und abgeknickte Äste trieb.
    Â»Wie lange wart ihr zusammen?«, fragte sie, als er den Motor ausschaltete.
    Â»Ellen, Herrgott noch mal –«
    Â»Wie lange, Alec?«
    Â»Ungefähr ein Jahr.« Er schüttelte ärgerlich den Kopf. »Wieso spielt das für dich so eine große Rolle?«
    Â»Nicht für mich. Für Catriona.«
    Â»Blödsinn. Du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Ausgerechnet auf Cat.«
    Â»Nein, bestimmt nicht.«
    Aber sie war eifersüchtig, und das ärgerte sie. Am meisten aber ärgerte sie, dass Catrionas Hinterhältigkeit und ihre eigene Unsicherheit zu dieser Situation geführt hatten, zu einem Streit mit dem Mann, den sie liebte.
    Irgendwo in der Ferne schlug immer wieder ein Tor oder eine Tür auf und zu. Ein Blatt Zeitungspapier hopste und kreiselte wie ein Kobold, schmiegte sich kurz an Töpfe und Büsche, bevor es den Hang hinunterfegte. Ihr Ärger flaute etwas ab, und sie konnte ruhiger sprechen.
    Â»Alec, du kennst diese Leute dein Leben lang. Mir sind sie fremd, aber ich möchte deinetwegen einen guten Eindruck machen. Ich möchte gern verstehen, was sie dir bedeuten. Ich möchte deine Familie und deine Freunde kennenlernen, ich möchte, dass sie mich mögen und auch ich sie gern haben kann. Das ist mir wichtig, weil ich dich liebe.«
    Â»Ich liebe dich auch, Ellen.« Mit einem Aufatmen drückte er fest ihre Hand. »Cat ist eine alte Freundin, weiter nichts. Sie ist fast so etwas wie eine Schwester für mich. Es stimmt schon, wir waren eine Zeit lang zusammen, aber das hat doch nichts mehr zu bedeuten. Wir haben damals ständig zusammengesteckt, und eines Tages ist mir vermutlich aufgefallen, dass sie kein kleines Mädchen mit aufgeschrammten Knien mehr war.« Er hielt inne und schaute zum Fenster hinaus. »Cat hat eine boshafte Seite. Sie spielt die Leute gern gegeneinander aus und kann in ihrem Spott ziemlich gnadenlos sein. Das ist mir nach einer Weile auf die Nerven gegangen.«
    Das zu hören, war ihr ein Trost. Genau dieser Wesenszug war auch ihr an Catriona aufgefallen. »Also hast du Schluss gemacht«, sagte sie.
    Â»Ja. Unsere Wege haben sich zu der Zeit sowieso getrennt. Aus der Geschichte wäre nie etwas Ernstes geworden. Ich bin zum Studium nach Edinburgh gegangen, und Cat hat ihre Ausbildung als Krankenschwester angefangen, und das war’s. Seitdem hat sie immer irgendeinen am Wickel. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, hat sie einen anderen.« Er nahm ihre Hand. »Ellen, warum müssen wir unsere Zeit mit diesem Gerede über Catriona verschwenden? Sie hat keine Bedeutung. Ich liebe dich. Dich allein.«
    Sie legte den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Seufzend sagte er: »Um ehrlich zu sein, ich schiebe diese Entscheidung schon ewig vor mir her und habe ständig ein schlechtes Gewissen deswegen.«
    Â»Ein schlechtes Gewissen?«
    Â»Es wäre für meine Mutter viel leichter gewesen, wenn ich schon vor Jahren auf die Insel zurückgekommen