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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wäre.«
    Â»Aber du wolltest nicht?«
    Â»Nein.«
    Â»Wegen deiner Arbeit?«
    Â»Unter anderem.« Er lachte bitter. »Ich bin inzwischen Meister darin, die Dinge zu verschleppen. Und ich bin nicht stolz darauf.«
    Ellen war etwas eingefallen, was Alec am Abend von Dr. Redmonds Tod zu ihr gesagt hatte, als sie zusammen nach Copfield gelaufen waren. Dass er die Insel manchmal hasse, weil man an einen Ort, an dem man so tief verwurzelt sei, immer zurückkehren müsse. Er tat ihr ungeheuer leid. Für sie, die niemals irgendwo Wurzeln geschlagen hatte, war es nicht leicht zu verstehen, was es hieß, an einen Ort gebunden zu sein, und wie schwer es sein konnte, ihn zu verlassen.
    Ab und zu, im Lauf dieser Nacht, schlummerte sie ein. Dann riss das Jammern des Windes oder das Prasseln des Regens am Fenster sie wieder aus dem Schlaf, und während sie mit offenen Augen in der Dunkelheit lag, durchlebte sie noch einmal einzelne Episoden des vergangenen Abends. Sie hatte sehr wohl richtig gehört, was Catriona gesagt hatte, und es war eindeutig nicht deren Absicht gewesen, ihr irgendetwas leicht zu machen. Ganz im Gegenteil. Da war sie sicher.
    Sie konnte sich vorstellen, was Alec vor gut zehn Jahren zu Catriona hingezogen haben mochte. Ihre Lebhaftigkeit und ihre etwas burschikose Anmut waren durchaus ansprechend. Aber auch ihm war dieser mitleidlose Zug, dieser Hang zum Spott an ihr aufgefallen. Wenn Catriona es darauf angelegt hatte, eine Situation herbeizuführen, in der sie vor Alec glänzen und Ellen ausstechen konnte, so war der Versuch fehlgeschlagen.
    Nein, sie fürchtete Catriona nicht. Andere Erinnerungen plagten sie viel mehr: das fast triumphierende Gesicht von Alecs Mutter, als Donald Frazer beim Abendessen versehentlich herausgerutscht war, dass alle fest mit Alecs dauernder Rückkehr auf die Insel rechneten. Und wie sie zuvor in ihrem Abendkleid im Salon von Kilmory House gethront und behauptet hatte, es sei ihr einziges festliches Kleid, das sie zu jedem gesellschaftlichen Anlass trage. Doch das war sicher Zufall. Alecs Mutter hätte doch nicht geplant, sie, Ellen, bloßzustellen, hätte sich doch niemals mit Catriona zu so einer Intrige zusammengetan. Nein, ganz bestimmt nicht.
    Hier, in den stillsten Stunden der Nacht, ließ sie Gedanken aufsteigen, die sie bei Tageslicht gewiss unter Verschluss gehalten hätte.
    Man durfte mit Recht behaupten, dass damals im Mai, als sie das erste Mal die Insel besucht hatte, die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit ihres Sohnes bei Marguerite Hunter nicht gerade Begeisterung ausgelöst hatte. War Mrs. Hunter die Verlobung überhaupt recht? Oder sähe sie es lieber, wenn Alec Catriona heiraten würde, die von der Insel stammte?
    Alles kam auf Marguerite Hunters Billigung an. Nach Francis Hunters frühem Tod war eine enge Bindung zwischen Mutter und Sohn entstanden. Es war gut möglich, dass Alecs Mutter in jeder Frau, die ihrem Sohn nahekam, eine Bedrohung für diese Bindung sah. Dann würde sie, Ellen, stets eine Außenseiterin bleiben, geduldet vielleicht, aber niemals akzeptiert, geschweige denn gemocht.
    Obwohl sich zwischen Alec und ihr alles wieder eingerenkt hatte, bevor sie ins Haus gegangen waren, fühlte sie sich nach dieser Misshelligkeit verletzt und niedergeschlagen, und sie wusste, dass dort draußen, im Auto, nichts geklärt und nichts entschieden worden war. Wenn Alec seiner Mutter versprochen hatte, eines Tages für immer auf die Insel zurückzukehren, dann würde sie hier mit ihm leben müssen – und mit seiner Mutter. Würde sie sich an ein solches Leben, das so ganz anders war als ihr bisheriges, jemals gewöhnen können? Würde sie es schaffen, all das aufzugeben, wofür sie so hart gekämpft hatte?
    Sie hatte immer gewusst, dass sie ihre Arbeit vorübergehend würde hintanstellen müssen, wenn sie und Alec Kinder haben wollten. Aber nicht für längere Zeit; zu oft hatte sie erlebt, wie schwer es für Wissenschaftlerinnen war, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Frauen, die sich eine jahrelange Auszeit nahmen, um ihre Kinder großzuziehen, kehrten niemals in die Forschung zurück. Ein bisschen unterrichten vielleicht, das war alles, was ihnen dann noch offenstand. Die wenigen Frauen, die nicht bereit waren, diesen Weg zu gehen, nahmen sich Kindermädchen oder Haushälterinnen und kehrten ins Labor zurück, sobald ihre

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