An einem Tag im Winter
unter den Bäumen hervortreten. Sie lief ihm entgegen, und als er sie in die Arme nahm, schloss sie die Augen und drückte ihren Kopf an seine Schulter. In das süÃe, wilde Verlangen nach ihm mischten sich Furcht und Erleichterung.
»Komm, lass uns etwas unternehmen«, schlug er vor. »Hast du Lust?«
Sie nickte, und sie schritten Arm in Arm den Weg hinunter. Auf dem Vorplatz sagte er: »Warte hier«, und sie wartete im Sonnenschein, bis er mit einem kleinen Rucksack zurückkehrte.
»Unser Frühstück«, erklärte er lächelnd.
Sie gingen durch das Tor hinaus, und mit jedem Schritt, der sie von Kilmory House wegführte, hinunter nach Ellenabeich, wurde ihr Herz leichter. Dort, am Hafen, sprach Alec mit einem Fischer, und sie stiegen in das kleine Boot, das sachte auf dem Wasser an der Pier schaukelte.
Auf der Fahrt über den schmalen Meeresstreifen, der Seil von der weit kleineren Nachbarinsel Easdale trennte, schien es Ellen, als läge die See nach dem Toben der Nacht im Erholungsschlaf. Im schmalen Hafen von Easdale waren nur wenige Boote vertäut. Alec reichte Ellen die Hand, um ihr an Land zu helfen, und dankte dem Fischer, der schon umdrehte, um nach Ellenabeich zurückzurudern.
Ellen und Alec wanderten quer über die Insel bis zu ihrer westlichsten Spitze, von wo aus man zu der verlassenen Insel Insh hinüberblicken konnte und weit hinaus auf den Atlantik. Der ganze Küstenstreifen war mit bröckelnden, zerklüfteten Ufermauern befestigt. Die Strände bedeckte gebrochenes Schiefergestein, dessen blaugrauer Schimmer das Licht der frühen Morgensonne einfing. Der Sturm der vergangenen Nacht hatte Girlanden braunen Seetangs, Treibholz und mehrere Quallen angespült, die in der Sonne langsam austrockneten.
Auf einem schmalen Grat wanderten sie zwischen zwei Seen hindurch, die einst Schieferbrüche gewesen waren. Im stillen türkisfarbenen Wasser konnte Ellen einen steil abfallenden Hang gebrochenen Schiefers erkennen, der sich in der Tiefe verlor. Gewaltige überschwemmte Felsformationen, wie Meeresungeheuer, waren undeutlich unter der Oberfläche sichtbar. Alte Steinbauten, ohne Dächer und von Pflanzen überwuchert, standen im Schatten der Anhöhe in der Mitte der Insel, Ãberreste einer lang vergangenen Zeit. Obwohl das Meer glitzerte und im Gras Tausende Blumen wie Edelsteine leuchteten, lag eine Schwermut über dem Land.
Sie setzten sich auf einen Felsen mit Blick auf die See. Alec machte den Rucksack auf und holte Ãpfel, Brötchen, harte Eier und eine Thermosflasche mit Kaffee heraus. Nachdem er eingeschenkt hatte, reichte er Ellen den Becher.
»Wegen gestern Abend â«
»Es spielt keine Rolle.«
»Ich finde doch. Ich wollte mit dir über Cat reden. Ich war dir gegenüber nicht fair, ich war nicht ehrlich. Und ich möchte nicht, dass du es auf anderem Weg erfährst.«
Sie wurde unruhig.
»Ich war neunzehn«, sagte er, »und Cat ein paar Jahre jünger. Ich nehme an, die ständige Nähe hatte etwas damit zu tun.« Er stützte das Kinn in die Hand, den Blick auf die aufsteigenden und wieder abfallenden Wellen gerichtet. »Damals gab es so etwas wie eine Absprache zwischen meiner Mutter und Dr. Campbell. Im Grunde war es ein Scherz.«
»Eine Absprache?«
»Ja, dass Cat und ich eines Tages heiraten würden. Sie haben uns immer damit geneckt. Meine Eltern und die Campbells waren seit Ewigkeiten befreundet, weiÃt du, da war es â¦Â« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Stattdessen sagte er: »Ich habe behauptet, es sei nichts von Bedeutung gewesen. Jetzt ist es das nicht auch nicht mehr, aber damals war es anders. Es dauerte ungefähr ein Jahr. Dann sind wir, wie gesagt, getrennte Wege gegangen.«
Sie hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, welch heftigen Schlag ihr seine Worte versetzt hatten. Aber sie musste es wissen. »War Catriona deine erste Liebe?«
»Ja.«
»Und du ihre?«
»Ja, ich nehme es an.«
Die nächste Frage: Und habt ihr miteinander geschlafen ?, brauchte sie gar nicht erst zu stellen â sie brauchte nur an den unbekümmerten Kuss zu denken, diesen Kuss voller Intimität und Vertrautheit, mit dem Catriona Alec damals im Mai begrüÃt hatte, als Ellen zum ersten Mal auf der Insel gewesen war. Sie brauchte nur an Catrionas Neckereien zu denken. Was sie empfand, war völlig unangemessen, das
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