An einem Tag im Winter
einmal genug Energie aufbrachten, um zu versuchen, eine Frau ins Bett zu kriegen.
In ihrer anspruchslosen Gesellschaft verbrachte India einen Nachmittag bei Peachey und rannte später mit der ganzen Clique durch Regenschauer zu dem Pub, in dem sie alle verabredet waren. Leider wurde dabei das edle grüngoldene Kleid, das Marcus ihr gekauft hatte, nass, weil sie keinen Mantel dabeihatte. Aber sie war so glücklich, mit ihren Freunden zu lachen und zu schwatzen und nach Herzenslust herumzualbern, dass ihr das nichts ausmachte. Als Ed und seine Frau zu ihnen stieÃen, zogen sie alle weiter ins West End. Es war spät, feiner Nieselregen besprühte die Bürgersteige, und auf den stillen StraÃen fuhren nur wenige Autos.
Ed bot an, sie alle in ein Nachtlokal einzuladen. Er war der Einzige, der genug Geld hatte, um die Drinks zu bezahlen, und die anderen umringten ihn am Tresen, obwohl sie sich, wie India wusste, häufig über ihn lustig machten, wenn er es nicht hören konnte: Ed und seine SpieÃerarbeit bei der Bank und dazu noch eine Frau, die ihn betrog. Der Raum, in dem sie saÃen, war dunkel und schäbig. India bemerkte die Brandlöcher, die Zigaretten in den violetten Samtvorhängen hinterlassen hatten, und die Risse in der blätternden Flocktapete. Die Gäste saÃen an kleinen, runden Tischen mit Fransentüchern. In den Gesichtern, die sich aus dem schummrigen Dunkel abhoben, sah India Langeweile, Neid und Gier. Ihre eben noch so sprudelnde Laune verpuffte, als sie eine Weile allein dastand, der Dreimannband zuhörte und dabei eine Zigarette rauchte.
Plötzlich bemerkte sie ihn. Bernie. Er drängte sich durch das Gewühl rund um die Bar und kam direkt auf sie zu. Panik und Abscheu überfielen sie. Seit sie mit Marcus Pharoah zusammen war, hatte sie Bernie gemieden. Sie lieà ihre Zigarette zu Boden fallen und hastete aus dem Lokal. Auf der StraÃe zog sie die hochhackigen Schuhe aus und hetzte den Bürgersteig entlang, bis sie ein Taxi sah. Sie hielt es an und sprang aufatmend hinein. Durch das Rückfenster konnte sie Bernie erkennen, der auf dem Bürgersteig stand, seine kurzbeinige, gedrungene Gestalt gebrochen vom glitzernden Licht der StraÃenlampen und den Regentropfen auf dem Glas.
Ellen und Riley machten mit Annie und ihrer Freundin Kathleen einen Ausflug in den Regentâs Park. Die Luft war kühl, und im Gras häufte sich das welke Laub.
»Ich muss vielleicht meine Arbeit aufgeben und für immer auf die Insel ziehen«, sagte sie.
Riley schaute sie an. »Das ist nicht dein Ernst?«
»Doch. Ich hatte das anfangs nicht begriffen.« In aller Kürze erzählte sie ihm von dem Essen bei den Campbells und der peinlichen Art und Weise, wie sie dort vor den versammelten Gästen erfahren hatte, dass allgemein erwartet wurde, sie und Alec würden sich nach ihrer Heirat auf der Insel Seil niederlassen.
»Das heiÃt aber nicht, dass Alec es erwartet«, entgegnete Riley.
»Das kommt sicher noch.« Ihre Stimme klang mutlos.
»Doch nur, wenn du einverstanden bist. Was sagt er denn dazu?«
»Nicht viel.« Sie schob mit den Schuhspitzen die Blätter im Gras vor sich her.
»Und du hattest vorher keine Ahnung davon?«
»Nein.«
Sie dachte an ihre Auseinandersetzung in der stürmischen Nacht zurück. Seitdem hatten sie immer wieder über die Zukunft gesprochen, ohne zu einem Beschluss zu kommen.
»Alec hat mir erzählt, dass er die Frage seiner Rückkehr auf die Insel schon seit Jahren vor sich herschiebt. Er fühlt sich schuldig, weil er weiÃ, dass seine Mutter ihn braucht. Er ist wirklich in einer unmöglichen Situation.«
»Ja, es ist schwierig für ihn.«
Sie spürte, dass er etwas zurückhielt, und sagte schnell: »Es ist doch verständlich, Riley. Es ist sein Zuhause .«
»Aber du hast Vorbehalte.«
»Ja, sicher.«
Die Mädchen trugen Laubhaufen zusammen und sprangen lachend hinein.
»Ich liebe Alec«, sagte Ellen. »Ich liebe ihn so sehr. Warum kann ich dann nicht einfach über meinen Schatten springen und sagen: Na schön, wir ziehen nach Seil â ich meine ohne Vorwurf und ohne Bedauern?«
»Weil es ein Riesenschritt ist. Was genau hält dich denn davon ab?«
»Oh ⦠das Wetter.« Sie lächelte, als sie seinen Blick bemerkte. »Ich weiÃ, das klingt dürftig. Aber ich bin aus dem Süden. Und
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